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Wege aus der Sucht Abhängigkeiten erkennen – behandeln – bewältigen Sommer 2015 94
eis mag
Kr
grüner azin
Wege aus der Sucht 1
Wir danken unseren SpenderInnen
Unterstützen & Spenden
Friedrich Achitz, Linz
Helfen Sie uns helfen!
Elfriede Aschbeck, Wien
Dkfm. Günter Baumgartner, Wien
Mit Ihrer Unterstützung können wir
Breiteneder, Allhaming
Partner des Grünen Kreises
gemeinsam dazu beitragen, suchtkranken
Beate Cerny, Wien
Die Niederösterreichische Versicherung
Menschen einen Weg aus der Sucht zu
Ernst Cwik, Breitenau
unterstützt die Arbeit des Grünen Kreises.
ermöglichen. Ihre Spende wird zur Weiter-
Leonhard Dünser, Ludesch
»Menschen, die wieder ein selbst-
entwicklung von Projekten & Programmen
DI Manfred Eckharter, Wien
bestimmtes Leben ohne Abhängigkeit
im Grünen Kreis verwendet.
Dr. Günther Frohner, Lassee
führen wollen, brauchen vielfältige Unter-
Gabriele Hiba, Wien
Bitte verwenden Sie für Ihre Spende die
stützung, um ihre Krankheit zu besiegen.
Elfriede Jilg, Bad Vöslau
NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
Als Partner des Grünen Kreises nehmen
Sandra Maria Königshofer, Gföhl
IBAN AT81 5300 0038 5501 3222
wir unsere soziale Verantwortung in der
Robert Kopera, Reisenberg
Gesellschaft wahr und leisten damit
Christa Panny, Wien
oder fordern Sie bei
unseren Beitrag, den Betroffenen auf
DI Peter Podsedensek, Wien
[email protected]
dem Weg aus der Sucht zu helfen.«
Prim. Dr. Ferdinand Schönbauer, Tulln
einen Zahlschein an.
Günter Stacher, Waidhofen
Niederösterreichische Versicherung AG
Weitere Informationen finden Sie auch auf
Verein Round Table 37, Wien
Dr. Alfons Willam, Wien
Herzlichen Dank im Namen aller
KlientInnen des Grünen Kreises!
im Bereich »Spenden & Sponsoring«.
und viele anonyme SpenderInnen
Erklärung über die grundlegende Richtung gem.
Herausgeber: Verein Grüner Kreis
Diese Ausgabe entstand unter Mitarbeit von:
§ 25 Mediengesetz vom 12.6.1981:
Geschäftsführer: Dir. Alfred Rohrhofer
Alfred Rohrhofer, Astrid Tröstl, Ernest Groman,
Das Aufgabengebiet des Grüner Kreis-Magazins
Redaktion: Dir. Alfred Rohrhofer, Peter Lamatsch,
Manfred Neuberger, Angela Zacharasiewicz,
bildet die Berichterstattung zur Prävention
Andreas Eilenstein
Markus Pock, Dominik Batthyány, Reinhard
suchtindizierter Probleme im Allgemeinen, die
Eigenverlag: Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation
Kürsten, Philippa Rudnay, Reinhold Kerbl, Heinz
wissenschaftliche Aufarbeitung der Abhängig-
und Integration suchtkranker Menschen
Kammerer, Human-Friedrich Unterrainer, Kurt
keitsthematik sowie Informationen über die
Alle: 1070 Wien, Hermanngasse 12
Neuhold und KlientInnen im Grünen Kreis
Tätigkeit des Vereins Grüner Kreis .
Tel.: +43 (0)1 5269489 Fax: +43 (0)1 5269489-4
Das Grüner Kreis-Magazin erscheint viermal
[email protected] www.gruenerkreis.at
jährlich in einer Auflage von je 30.000 Exemplaren
Layout: Peter Lamatsch
Medieninhaber: Grüner Kreis , Verein zur Rehabi-
Anzeigen: Sirius Werbeagentur GmbH
Cover: Tobias Arhelger/123RF
litation und Integration suchtkranker Menschen
Druck: AV+Astoria Druckzentrum GmbH
Autorenportraits: privat
Gender-Hinweis: Die Redaktion greift grundsätzlich nicht in die Texte der GastautorInnen ein. Sofern sich ein Autor oder eine Autorin für die Verwendung des
generischen Maskulinums entscheidet, soll damit keine Bevorzugung des Männlichen und insbesondere keine Diskriminierung des Weiblichen zum Ausdruck
kommen. Die gewählte Form dient allein der besseren Lesbarkeit des Textes resp. einer leichteren Verständlichkeit seines Inhalts.
Der Grüne Kreis dankt seinen Förderern
2 Wege aus der Sucht
Liebe Leserin, lieber Leser!Nur wenige Themen werden in Österreich derart kontroversiell diskutiert, wie das Rauchen. Zwar
herrscht grundsätzlich Konsens über die negativen gesundheitlichen Auswirkungen des Tabakkonsums,
den Befürwortern rigider Restriktionen steht jedoch eine Phalanx derer gegenüber, die sich in ihrer
wirtschaftlichen Existenz, aber mehr noch in ihrer persönlichen Freiheit bedroht sehen. Exemplarisch
hierfür sei der österreichische Philosoph und Kulturwissenschafter Robert Pfal er genannt. Er beklagt einen
Mangel an Besonnenheit in der öffentlichen Diskussion und kritisiert eine Tendenz zu einer genormten
Genusspraxis. Wo Prinzipien des Zwangs und der Kontrol e vorherrschen, würden Lebensqualitäten wie
Bürgerrechte oder Genuss geopfert. Die Gesel schaft werde sukzessive infantilisiert, ein zivilisatorischer
Rückschritt sei im Gange.
Ein Diskurs, der selbst die Philiosophie bemüht, erscheint uns Grund genug, dem »Blauen Dunst« gleich
zwei Ausgaben unseres Magazins zu widmen. In dieser ersten Nummer werden überwiegend gesundheit-
liche Aspekte, aber auch Fragen der Prävention und ökonomische Zusammenhänge beleuchtet. In der
nächsten Folge sol en auch jene Stimmen zu Wort kommen, die Reglementierungen in Bezug auf das
Rauchen skeptisch betrachten oder ablehnen.
Ich wünsche eine interessante Lektüre!
Alfred Rohrhofer
Helfen Sie uns helfen!
»Wir heißen Sebastian und Felix. Wir wissen wie es ist, mit Eltern
aufzuwachsen, die zu Alkohol und Drogen greifen. Selten denken die
Erwachsenen daran, wie sehr wir Kinder darunter leiden. Ein Glück, dass
wir Hilfe vom »Grünen Kreis« bekommen. Hier arbeiten Menschen, die sich
auskennen und sich um uns kümmern.«
Sucht ist eine Krankheit, unter der alle Familienmitglieder leiden.
Die Suchtgefährdung der Kinder, die in ihrer eigenen Familie
schon mit diesem Problem konfrontiert sind, ist um ein Vielfa-
ches erhöht. Rechtzeitige Hilfe verhindert langfristige Probleme.
Unsere Präventionsarbeit verhindert, dass die Kinder von heute
nicht die Suchtkranken von morgen werden.
Geben Sie Sucht keine Chance -
unterstützen Sie unsere Ziele durch Ihre Spende!
Verein Grüner Kreis NÖ Landesbank-Hypothekenbank AG
Wege aus der Sucht 3
IBAN AT81 5300 0038 5501 3222 BIC HYPNATWW
4 Wege aus der Sucht
Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit
Astrid Tröstl und Ernest Groman
Die elektronische Zigarette: Ein Trojaner der Nikotinsucht
Manfred Neuberger
Tabakrauchen und Kinder
Angela Zacharasiewicz
Ökonomische Effekte des Rauchens
Unser Betreuungsangebot
(Passiv)rauchen in Österreich
Reinhard Kürsten
Für die unaufdringliche Normalität des Nichtrauchens
Dominik Batthyány
Der »Marlboro Man« als »Edler Wilder« des 20. Jahrhunderts
(Nicht-)Raucherschutz in Europa
PatientInnen berichten über ihr Leben mit der Sucht
Rauchen in der Gastronomie
15. EFTC Kongress der »Therapeutischen Gemeinschaften«
Kunst im Grünen Kreis
Wege aus der Sucht 5
Tabakkonsum und Tabakabhängigkeit
Zu den tabakassoziierten Erkrankun-
zur Schaufensterkrankheit (arterielle Ver-
gen gehören vor allem systemische Er-
schlusskrankheit) führen können. Für na-
krankungen und verschiedenste Krebs-
hezu alle tabakassoziierten Krankheiten
erkrankungen. Betroffen ist neben den gilt das Dosis-Wirkungs-Prinzip. Somit ist
Atemwegen vor allem das Herz-Kreis-
jede nicht gerauchte Zigarette ein Gewinn.
lauf-System, aber auch alle anderen Or-
Besser wäre natürlich, wenn schon präven-
gane können durch das Tabakrauchen ge-
tiv vor allem Jugendliche vom Tabakkon-
schädigt werden. Tabakrauchen führt bei sum ferngehalten werden könnten.
mindestens 50 % der Raucher und Rau-
cherinnen zu einer tabakassoziierten Or-
Status Quo Rauchen in Europa und Österreich
ganerkrankung, die in weiterer Folge zum
Etwa ein Drittel der europäischen Bevöl-
vorzeitigen Tod führt. (Doll et al, 2004) Bis
kerung raucht, die Hälfte hat noch nie
zu 50 % der älteren Raucher und Rauche-
geraucht und der Rest zählt sich zu den
von Astrid Tröstl
rinnen entwickeln eine COPD (chronisch
Ex-Rauchern bzw. Raucherinnen. Laut Eu-
obstruktive Lungenerkrankung), nur 10 %
robarometer 2012 rauchen 25 % der Frauen
der COPD-Patienten sind Nichtraucher und 35 % der Männer. Die Prävalenzraten
bzw. Nichtraucherinnen. (Henschke et al, sind im Süden und Osten Europas deut-
2006) Noch deutlicher sind die Daten beim
lich höher, wobei der EU-Schnitt bei 28 %
Bronchuskarzinom, das in bis zu 90 % der liegt (Special Eurobarometer, 2012). Die
Fälle auf den Zigarettenkonsum zurück-
höchsten Prävalenzen gibt es in Griechen-
geführt werden kann. In Österreich ster-
land (40 %), Bulgarien und Lettland (beide
ben jährlich zwischen 12.000 und 14.000 36 %), die niedrigsten in Schweden (13 %),
Menschen infolge tabakassoziierter Portugal und der Slowakei (beide 23 %).
In Österreich liegt die Prävalenz laut ei-
Verantwortlich für die Erkrankungen ner repräsentativen Bevölkerungsumfrage
sind die vielfältigen schädlichen, teilwei-
aus dem Jahr 2012 bei 33 % Aktivrauchern,
se krebserregenden Inhaltsstoffe im Zi-
davon 38 % Männer und 27 % Frauen. (Spec-
garettenrauch, die vor allem durch den tra, 2012, siehe Abbildung 1) Die Prävalenz
unvollständigen Verbrennungsprozess zeigt eine deutliche Altersabhängigkeit: bei
und Ernest Groman
der Zigarette entstehen. Beispielsweise den 15-29 jährigen ist mit 40 % der höchste
sind die polyzyklischen Kohlenwasser-
Raucheranteil zu verzeichnen, bei den 30-
Rauchen ist das größte vermeidbare stoffe (»Teer«) als hoch kanzerogen zu 39 jährigen sind es 38% und dann sinkt der
Gesundheitsrisiko und betrifft wohl
bezeichnen. Oder etwa das Kohlenmono-
Anteil auf 23 % bei den über 50 jährigen.
xid, das eine wesentliche Rolle bei vielen (Spectra 2012) Ein Drittel der österreichi-
alle Bereiche der Medizin
arteriosklerotischen Prozessen spielt, die schen Raucher und Raucherinnen ist stark
etwa zu Herzinfarkt, Schlaganfall oder nikotinabhängig (Abbildung 1).
Raucher in Österreich
Anteil regelmäßiger Raucher
Wann wurde die erste Zigarette geraucht?
(Angaben der regelmäßigen Raucher)
bis 12 Jahre 9%
13–15 Jahre 40%
16–19 Jahre 37%
In Summe sterben jährlich fast 700.000
20–24 Jahre 6%
Menschen infolge tabakassoziierter Er-
25–30 Jahre 2%
krankungen allein in Europa. Im Vergleich
dazu sterben 43.000 Menschen infolge von
Autounfällen, 38.400 durch illegalen Dro-
Umfrage 2012
genkonsum, 9.300 versterben an Aids und
5.000 infolge von Arbeitsunfällen. (Kunze,
6 Wege aus der Sucht
Bei Betrachtung der soziodemographi-
Budget zur Verfügung haben und ihre Aus-
wichtigsten Motive für einen Rauchstopp
schen Aspekte zeigt sich in Europa folgen-
gaben stärker kontrollieren müssen. Außer-
interessant. Das Hauptmotiv ist nach wie
des Bild: Es rauchen mehr Männer, jüngere
dem ist die Ausgabe relativ »neu«, und muss
vor mit Abstand die eigene Gesundheit
Altersgruppen, Menschen mit geringerer erst eingeplant werden.
(71 %), danach folgen Familie, Partner und
Schulbildung, Arbeitslose und Menschen
Freunde (52 %), der Preis für Tabakwaren
mit niedrigem sozioökonomischen Status Abhängigkeit
(47 %), Belastung für die Nichtraucher
(Special Eurobarometer, 2012). Zusätzlich Abhängigkeit ist ein oft verwendeter und (35 %), der ärztliche Rat (21 %), Rauch-
anzumerken ist, dass die Raucherprävalenz
doch schwierig zu fassender Begriff. Das ei-
verbote in öffentlichen Gebäuden (20 %),
in der psychiatrischen Patientengruppe be-
gene Empfinden und die objektive Betrach-
gesellschaftliche Missbilligung (19 %),
sonders hoch ist und in vielen Fällen auch tung unterscheiden sich mitunter deutlich.
Rauchverbot am Arbeitsplatz (16 %) und
eine enorme finanzielle Belastung der Be-
Für die Nikotinabhängigkeit gibt es einen Warnhinweise (14 %). (Special Eurobaro-
troffenen darstellt, speziell wenn sie nicht sehr einfachen Test, den Fagerström Test meter, 2012) Diese Angaben decken sich
arbeitsfähig sind.
für Nikotinabhängigkeit, mit dem sich auch weitgehend mit den Daten, die das
In ganz Europa werden überwiegend grob abschätzen lässt, wie wichtig der Niko-
Nikotin Institut in den eigenen Behand-
Filterzigaretten geraucht, acht von zehn tinkonsum für die Aufrechterhaltung des lungsprogrammen bei mehr als 5.000 Rau-
Konsumenten rauchen täglich im Durch-
Rauchens ist. Je höher die erreichte Punk-
cherInnen erhoben hat.
schnitt 14,4 Zigaretten (Österreich: 18,3). tezahl auf der 10-teiligen Skala, desto eher
Nur 1 % konsumiert ein anderes Tabakpro-
geht es beim Rauchverhalten um die Ver-
dukt wie Wasserpfeife oder rauchfreien meidung von Entzugserscheinungen. Die-
Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.)
Tabak. Andererseits scheinen gerade die se allgemeine Einschätzung ist sowohl für (2011) Gesundheit und Gesundheitsverhalten
Wasserpfeife oder auch die E-Zigaretten den Raucher oder die Raucherin selbst inte-
von österreichischen Schülern und Schülerinnen
zumindest die Neugier junger Menschen ressant als auch für die betreuenden Perso-
– Ergebnisse des WHO-HBSC-Survey 2010. BfG,
zu wecken. Bei einem Lehrlingsprojekt des
nen, um entsprechende Hilfestellungen an-
Nikotin Institutes gaben ca. 80 % der Teil-
bieten zu können. In der Therapie zeigt sich
DiFranza JR, Savageau JA, Fletcher K et al (2007)
nehmer und Teilnehmerinnen bereits Vor-
immer wieder, dass die Vergegenwärtigung
Symptoms of tobacco dependence after brief in-
erfahrungen mit dem Produkt Wasserpfei-
des eigenen Rauchverhaltens ein ganz we-
termittent use: the Development and Assessment
fe an. (unpublizierte Daten)
sentlicher Schritt zur Veränderung ist.
of Nicotine Dependence in Youth-2 study. Arch Pe-
(siehe Seite 8: Fagerström-Test)
diatr Adolesc Med 161:704–710
Rauchen bei Jugendlichen
Doll R, Peto R (2004). Mortality in relation to
Im internationalen Vergleich gehören ös-
Eine Möglichkeit, die aktuelle Schadstoff-
smoking: 50 years observation on male British
terreichische Jugendliche zu jenen, die belastung des Körpers zu ermitteln, ist doctors. BMJ 328:1519
schon sehr früh Rauchversuche unter-
die Messung des Kohlenmonoxids in der Groman E (2000): Evaluation of smoking preva-
nehmen. Etwa die Hälfte der 13-jährigen Ausatemluft. Mit einem kleinen Messgerät
lence: will there be an end to self-administered
Mädchen und Jungen gibt solche Probier-
kann diese jederzeit ohne Aufwand inner-
questionnaires? Prev Med. Apr;30(4):346-7
versuche zu. Tatsächlich nimmt der Anteil halb weniger Sekunden getestet werden. Henschke CI, et al (2006). Women's susceptibility
der täglich Rauchenden zwischen dem 13. Vor allem in der Beratungssituation ist dies
to tobacco car- cinogens and survival after diagno-
und 15. Lebensjahr stark zu. In Österreich eine gute Gesprächsgrundlage. Da sich der
sis of lung cancer. JAMA 296:180–4
raucht etwa ein Drittel der 17-Jährigen Kohlenmonoxidwert auch bei kurzer Absti-
Kunze U (2013) Epidemiologie von Alkohol,
(Mädchen: 30,3 %, Burschen: 35,3 %) (Bun-
nenz rasch bessert, ist es oft eine gute Mo-
Rauchen und illegalen Drogen in Österreich. Vor-
desministerium für Gesundheit, 2010).
tivationsmöglichkeit und macht den Thera-
trag bei den Pädiatrischen Fortbildungstagen,
Betont wird allerdings, dass bereits pieerfolg schnell messbar.
jugendliche Raucher und Raucherinnen
Special Eurobarometer 385 (2012) Attitudes of
Schwierigkeiten haben können, ihren Ta-
Europeans towards smoking
bakkonsum wieder einzustellen. Viele der Die Unzufriedenheit mit dem eigenen
12- bis 17-Jährigen mit einem regelmäßigen
Rauchverhalten ist bei etwa einem Drit-
Mag.a rer. nat. Astrid Tröstl
Rauchverhalten zeigen deutliche Sympto-
tel der Raucher und Raucherinnen extrem Studium der Biologie und Umweltkunde und Geo-
me der Abhängigkeit wie »unstillbares Ver-
hoch. Drei von zehn Rauchern haben in graphie und Wirtschaftskunde (Universität Wien)
langen«. Eine Untersuchung an einer Stich-
den letzten 12 Monaten einen Versuch ge-
seit 2006 Lehrerin für Biologie & Umweltkunde,
probe von 95 Jugendlichen im Alter von 12
startet, das Rauchen aufzugeben, beinahe Humanbiologie, Geographie und Wirtschaftskun-
bis 13 Jahren zeigte, dass sich bei 22 % der 50 % haben dies öfter als einmal probiert. de und Chemie am Erzbischöflichen Gymnasium
Betroffenen bereits 4 Wochen nach dem Eine weitere große Gruppe möchte das Zi-
Hollabrunn; seit 2003 Mitarbeiterin bei der ARGE
Beginn mit gelegentlichem Rauchen Symp-
garettenrauchen nicht ganz aufgeben, aber
»Nikotin Institut«; diverse wissenschaftliche Artikel
tome von Nikotinabhängigkeit nachweisen
den Konsum (stark) einschränken. Das ist zum Themenkreis Rauchen in Fachzeitschriften
lassen. (Di Franza, 2007).
natürlich nicht das Optimum, aber im Hin-
Jugendprävention ist deshalb unge-
blick auf das Dosis-Wirkungs-Prinzip bei Univ.-Doz. Dr. med. univ. Ernest Groman
mein wichtig, aber weltweit gibt es bislang
tabakassoziierten Erkrankungen, auf jeden
Studium der Medizin (Universität Wien), 2001 erste
kaum ein funktionierendes Programm für Fall ebenfalls zu unterstützen. Nicht selten
Habilitation im deutschsprachigen Raum zum Thema
diese spezielle Gruppe. Wissenschaftlich ist die Reduktion auch ein erster wesentli-
Tabak, ab 2002 Aufbau des ambulanten Raucher-
gesichert sind Jugendliche nur durch einen
cher Schritt in die Abstinenz.
entwöhnungsprogramms in NÖ in Zusammenar-
hohen Zigarettenpreis vom Rauchen abzu-
Im Hinblick auf die aktuelle politi-
beit mit den Sozialversicherungsträgern, wissen-
halten. Dies begründet sich dadurch, dass sche Diskussion, etwa um Rauchverbote, schaftlicher Leiter des Projektes »Nikotin Institut«,
Jugendliche in der Regel ein geringeres ist vielleicht auch eine Betrachtung der über 120 Publikationen in Fachzeitschriften.
Wege aus der Sucht 7
Selbsthilfe zum Nichtrauchen
Rauchfrei in 5 Wochen
k inabhängigkeit
Ernest Gromann l Astrid Tröstl
Fagerström-Test zur Nikotinabhängigkeit
Jeweils zutref ende
Punktzahl eintragen
Wann nach dem Aufwachen rauchen
Sie Ihre erste Zigarette?
Finden Sie es schwierig, an Orten, wo
das Rauchen verboten ist (z.B. Kirche,
Bücherei, Kino usw.), das Rauchen zu
Auf welche Zigaret e würden Sie nicht
Die erste am Morgen
verzichten wollen?
Wie viele Zigaret en rauchen Sie im
Al gemeinen pro Tag?
Rauchen Sie am Morgen im
Al gemeinen mehr als während des
restlichen Tages?
Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn
Sie krank sind und tagsüber im Bett
bleiben müssen?
Gesamtzahl der Punkte:
0–2 Punkte: Nikotin spielt bei Ihrem Tabakkonsum eine sehr geringe Rolle. Es mag sein, dass Sie diese Substanz
bei gewissen Gelegenheiten zur Anregung einsetzen. Wir gehen aber davon aus, dass Sie, wenn Sie dies wol en,
auch tagelang problemlos rauchfrei bleiben können.
3–4 Punkte: Ihr Konsum dürfte bereits etwas ausgeprägter sein. Die Abhängigkeit von Nikotin ist, wenn überhaupt
vorhanden, eher geringfügig ausgeprägt. Sie schaffen es vermutlich auch, die erste Zigaret e am Morgen möglichst
lange hinauszuzögern. Bei Ihnen scheint das situative Rauchen (Rauchen bei bestimmten Gelegenheiten) oder das
Rauchen bei sozialen Aktivitäten im Vordergrund zu stehen.
5–8 Punkte: Bei Ihnen scheint der Konsum von Nikotin sehr wichtig zu sein. Natürlich rauchen Sie auch bei
bestimmten Gelegenheiten, doch der regelmäßige und kontinuierliche Konsum dürfte bei Ihnen schon im
Vordergrund stehen. Haben Sie den Eindruck, dass Sie noch Kontrol e über Ihr Rauchverhalten haben? Oder läuft
der Zigaret enkonsum schon automatisiert ab? Haben Sie den Eindruck, dass Sie unnötige Zigaretten rauchen?
9–10 Punkte: Es sieht so aus, als würden Sie immer rauchen: in Gesel schaft, al eine, bei der Arbeit und in der
Freizeit. Ihre Abhängigkeit ist als sehr ausgeprägt zu bezeichnen. Trotzdem können auch Sie zur zufriedenen
Nichtraucherin oder zum zufriedenen Nichtraucher werden!
2014, Springer-Verlag Berlin Heidelberg. Aus: Groman, E., Tröstl, A.: Rauchfrei in 5 Wochen
8 Wege aus der Sucht
Positionspapier der Österreichische ARGE Suchtvorbeugung
Wirksame Maßnahmen der
Tabakprävention aus Sicht der
österreichischen Suchtprävention
Unter Bezugnahme auf die „Framework Convention on Tobacco Control" (FCTC) und auf die Richtlinie 2014/40EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. April 2014 zur „Angleichung der Rechts
Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Herstellung, die Aufmachung und den Verkauf von Tabakerzeugnissen und verwandten Erzeugnissen und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/37/EG" (in Kraft mit 19.5.2014)
25 Schritte zur Tabakprävention
1. Eine langfristige, österreichweite Tabakstrategie entwickeln und umsetzen 2. Österreichweite Daten zu Tabakkonsum und Tabaknormen erheben
3. Strukturelle Tabakprävention begleiten (z.B. Rauchfreie Krankenhäuser)
4. Information und Sensibilisierung für das Nichtrauchen forcieren
5. (Lebenskompetenz-)Programme im Kindes- und Jugendalter umsetzen
6. Gesundheitsberufe in Rauchstopp-Beratung schulen und Beratung honorieren
7. Auf Basis von Qualitätskriterien TabakentwöhnexpertInnen ausbilden
8. Rauchfrei Telefon fortsetzen, ambulante und stationäre Tabakentwöhnung anbieten
9. E-Zigarette & E-Shisha unter Überbegriff „Electronic Nicotine Delivery Systems"
10. ENDS mit Tabakprodukten gleichstellen – unabhängig davon, ob sie Nikotin
beinhalten oder nicht
11. ENDS eindeutig regulieren, Werbung und Konsum einschränken
12. Tabak zum oralen Gebrauch (z.B. Kautabak) eindeutig regulieren
13. Tabaksteuer für Tabakwaren drastisch anheben
14. Fünf Prozent der Steuereinnahmen aus Tabakprodukten für Tabakprävention und
Tabakentwöhnung zweckwidmen
15. Zigarettenautomaten verbieten oder ihre Freigabe zeitlich klar beschränken
16. Tabakwerbung, Tabakmarketing und Tabaksponsoring verbieten 17. Jugendschutz zu Tabak auf 18 Jahre anheben
18. Illegalen Handel mit Tabakwaren verhindern
19. Nichtraucherschutz auf Indoor-Arbeitsplätzen vollständig umsetzen
20. Absolutes Rauchverbot in der Gastronomie umsetzen 21. Rauchfreie Umgebung schaffen
22. Entwöhnung auf Verpackungen von Tabakwaren kommunizieren 23. Verpackungen von Tabakwaren vereinheitlichen
24. Zusatzstoffen in Tabakwaren verbieten bzw. stark einschränken 25. Den Markt prüfen und Neuentwicklungen berücksichtigen
Graz, Klagenfurt, Eisenstadt, Wien, St. Pölten, Linz, Salzburg, Innsbruck und Bregenz, Oktober 2014
Wege aus der Sucht 9
Die elektronische Zigarette
Ein Trojaner der Nikotinsucht
Schon vor acht Jahren warnte ich Werbebeschränkungen gelten. Es gibt nur
vor den neuen Waffen der Tabak-
einen Grund, eZig einer konventionellen
Zigarette täuschend ähnlich zu machen:
Um Werbe- und Rauchverbote zu untermi-
endanger-progress-tobacco-control): kleine nieren. Gleichzeitig wird der Konsument
Zigarren, Wasserpfeifen, Lutschtabak und in falscher Sicherheit gewiegt und ein Teil
vor allem elektronische Zigaretten (eZig). der Ärzte und Therapeuten mit dem Ar-
Ein rauchender Pharmakologie Professor gument der Risikoreduktion gewonnen.
wurde engagiert, um eZig als Entwöh-
Das Therapieziel ist nicht mehr Tabak-
nungshilfe vom Tabak anzupreisen. Sein und Nikotinabstinenz, sondern Reduk-
Gutachten empfahl sie als Ausstiegshilfe tion der Schadstoffbelastung (was schon
für Erwachsene, was in der Werbung miss-
mit der »Leichtzigarette« versagte). Die
braucht wurde, um eine »gesunde« Ziga-
Industrie verspricht Ausstiegshilfen und
von Manfred Neuberger
rette zu verkaufen. Der Direktor eines gro-
verschweigt, dass die fortgesetzte Nikotin-
ßen Krankenhauses entdeckte 2006 solche
zufuhr mit Aufrechterhaltung des Rituals
Werbungen auf den Anschlagbrettern in
Die erste elektronische Zigarette
beim Hantieren mit und Saugen an einer
seinem Haus (»viral marketing«) und ließ Zigarette den Ausstieg aus der Sucht er-
sie nach Rücksprache mit mir entfernen.
wurde auf dem österreichischen
schwert. Gleichzeitig wirbt sie dafür, »Niko-
Inzwischen haben aber die internationalen
Markt von einer chinesischen Firma
tin jederzeit und überall genießen« zu kön-
Tabakkonzerne eZig übernommen und alle
nen, auch dort wo das Rauchen verboten
meine Befürchtungen sind eingetroffen:
vertrieben, mit den Tricks, die früher
ist. So bleibt die Zigarette allgegenwärtig,
von der Tabakindustrie für »Leicht-
jeder Raucher oder Dampfer eine lebende
Erfolg für die Tabakindustrie
Reklame, prominente Dampfer ein Vorbild
Ich hatte vor der Diversifizierung von Ni-
zigaretten« verwendet wurden.
für die Jugend und der abwechselnde Ge-
kotinprodukten auf dem freien Markt ge-
brauch von eZig und Tabak lassen den ar-
warnt, weil damit neue Käuferschichten men Konsumenten nie mehr vom Nikotin
gewonnen werden, die bisher nicht niko-
tinsüchtig waren. Heute zeigt eine reprä-
sentative U.S. Studie des CDC (Bunnel et Nikotin
al. 2014), dass in der 6. bis 12. Schulstufe Die gefährlichste Mischung ist zweifels-
schon 21% eZig versuchen und 43,9% davon
frei der Rauch der konventionellen Ziga-
die Absicht äußern, im nächsten Jahr auch rette mit dem Suchtgift Nikotin. Aber nur
mit dem Rauchen zu beginnen. Von 2011 der Rauchstopp senkt das Gesundheitsrisi-
bis 2013 hat sich in den U.S.A. die Verwen-
ko nachhaltig, während bei einer Redukti-
dung von eZig unter (noch) nichtrauchen-
on der Stückzahl die Gefahr des Rückfalls
den Jugendlichen verdreifacht. In Quebec in alte Gewohnheiten hoch bleibt und das
haben schon 34% der Pflichtschüler in der Gesundheitsrisiko nur wenig abnimmt.
High School Erfahrung mit eZig und 53% Bjarveit & Tverdal (2005) fanden bereits bei
davon hatten davor nie Tabak probiert (Ca-
einem Zigarettenkonsum von 1 bis 4 Stück
nadian Cancer Soc. 2014). In Wales greifen
pro Tag eine Verdreifachung des Lungen-
5% der Kinder schon im Alter von 10-11 Jah-
krebs- und Herzinfarktrisikos. Der Ersatz
ren zur eZig, bevor sie jemals Tabak versu-
einzelner Zigaretten durch eZig bringt also
chen. Eine approbierte Diplomarbeit fand kaum etwas, zumal auch Nikotin genoto-
in 3 österreichischen Bundesländern bei xisch ist (Bavarva et al. 2014), die Vermeh-
13-Jährigen, die noch nie Tabakzigaretten rung von Krebszellen fördert, ihre Zerstö-
probierten, Erfahrungen mit Shisha und rung hemmt und die Gefäßversorgung des
wachsenden Tumors sowie seine Ausbrei-
Der Erfolg der neuen Einstiegsdroge tung unterstützt (Ginzel et al. 2007, Gran-
wird dadurch garantiert, dass für sie keine do 2014). 7 von 10 als nikotinfrei deklarierte
10 Wege aus der Sucht
eZig enthielten Nikotin (Hutzler et al.
wird. Hutzler et al. (2014) fanden in 5 von 28
2014). Auch passiv werden Personen im
Produkten Äthylenglykol als dominantes
berichten über eine Zunahme von
selben Zimmer mit einem Konsumenten
Lösungsmittel. Es wird im Stoffwechsel zu
von eZig durch Nikotin belastet und errei-
Vergiftungen durch elektronische
Oxalsäure umgewandelt und ist daher für
chen ähnliche Blutkonzentrationen (Flou-
Niere und Nervensystem toxisch.
ris et al. 2013) und Harnausscheidungen der
Nikotin-Abbauprodukte (Ballbè et al. 2014)
wie beim Passivrauchen. Ob sich Nikotiner-
Verfügung steht. Schober et al. (2013) und Die internationale Vereinigung der Lun-
satz via E-Zigaretten zum Ausstieg aus der
Ruprecht et al. (2014) fanden höhere Fein-
gengesellschaften und die amerikanische
Tabaksucht eignet, sollte beforscht werden
staubbelastungen beim Konsum nikotin-
Herzgesellschaft empfahlen, eZig wie Arz-
(Cobb & Abrams 2014), aber mit Produk-
neimittel oder Tabakwaren zu regulieren.
ten, deren Reinheit und Dosierung nach Auch für kardiovaskuläre Effekte (en-
Ersteres wurde in Österreich 2007 für ni-
Arzneimittelgesetzen kontrolliert sind.
dotheliale Dysfunktion, Arteriensteifigkeit,
kotinhaltige Füllungen gemacht und sollte
Ab 1.5.2016 dürfen Nachfüllpackungen
Blutgerinnungsneigung, etc.) hat die Parti-
in der EU ab 2016 für Produkte gelten, die
von eZig laut EU-Direktive maximal 10 ml
kelzahl eine große Bedeutung (Neuberger zur Tabakentwöhnung empfohlen werden;
(Patronen 2 ml) mit einer Nikotinkonzent-
2008), sodass zu erwarten ist, dass eZig auf
letzteres wurde 2014 durch Änderung des
ration von höchstens 20 mg/ml enthalten, Herz und Gefäße noch stärker wirken als Tabakmonopolgesetzes beschlossen, sollte
eine für Kinder tödliche Dosis (1-10 mg/
rauchfreier Tabak (Arefalk et al. 2014).
auch für nikotinfreie eZig gelten und ein
kg). Vergiftungsinformationszentralen be-
Verkaufsverbot an Minderjährige, Werbe-
richten über eine Zunahme von gemelde-
Additive und Lösungsmittel
verbote, Deklaration und Kontrolle der In-
ten Vergiftungen durch eZig. Nikotin wird
Da Additive in eZig noch nicht geregelt haltsstoffe, Besteuerung und Warnhinwei-
auch durch die Haut resorbiert.
sind, werden Aromen zur Verführung von se beinhalten. Außerdem müsste in allen
Kindern und auch Zusatzstoffe verwendet,
Räumen, in denen das Rauchen verboten
die in konventionellen Zigaretten bereits ist, auch der Gebrauch von eZig untersagt
Selbst nikotinfreie eZig geben Problemstoffe
verboten wurden. So fanden sich z.B. aller-
werden. Mit Präparaten aus der Apotheke
ab, von denen besonders der Feinstaub zu gene Geschmacksstoffe, das lungenschädi-
kann Nikotin zugeführt werden, ohne die
nennen ist. Vom Dieselruß wissen wir, dass
gende Diacetyl, das leberschädigende Cu-
Raumluft zu kontaminieren. Nach den
nicht die Masse der Polyaromaten (PAH), marin, das krebsfördernde Acetamid, das Empfehlungen der 6. WHO-Konferenz zur
sondern die große Oberfläche kleiner Par-
Potenzmittel Aminotadalafil und der Appe-
Umsetzung des Rahmenübereinkommens
tikel für die Krebsentstehung entschei-
titzügler Rimonabant (Farsalinos, Hadwi-
zur Tabakkontrolle sollte jeder Zigaretten-
dend ist. Zwar sind die Aerosole der eZig in
ger, Hutzler et al. 2014). Die Akutwirkungen
verkauf über Automaten und Internet un-
der Lunge nicht so langlebig, aber sie wir-
der eZig auf Lungenfunktionen (Vardavas tersagt werden, ebenso der Zusatz von Aro-
ken ebenfalls als Vehikel für Spuren von et al. 2012) dürften auf Lösungsmittelaero-
men für Kinder.
krebsfördernden Stoffen, die sie auf ihrer sole wie Propylenglykol und deren Reak-
großen Oberfläche adsorbieren und in die tionsprodukte zurückzuführen sein. Auch Kurzfassung einer Literaturübersicht*
Tiefe der Lunge transportieren. Dazu ge-
der Abfall der NO-Konzentration in der von Manfred Neuberger
hören PAH, Cr6+, Ni, Radontöchter (Tras-
Ausatemluft trat unabhängig vom Niko-
Literatur auf www.aerzteinitiative.at und in
sierras et al. 2014) und Nitrosamine wie tingehalt der eZig auf (Marini et al. 2014) * Neuberger M. The electronic cigarette: a wolf
NNN und NNK (Goniewicz et al. 2013). und zeigt eine akute Entzündung in den in sheep's clothing. Wien Klin Wschr 2015, DOI
Die Masse genotoxischer Substanzen ist Atemwegen an.
zwar deutlich geringer als beim Zigaretten-
Als Lösungsmittel für Nikotin und Aro-
rauch, doch um einen Krebs auszulösen, men werden u.a. Glyzerin und Propylen-
Univ.Prof. Dr. med. Manfred Neuberger
genügen möglicherweise Spuren, wenn glykol verwendet. McCauley et al. (2012) geb. 1946, 1977 Facharzt Innere Medizin,
diese auf Ultrafeinstaub verteilt chronisch
beschrieben eine Lipidpneumonie mit 1980 Facharzt Hygiene und Präventivmedizin,
zugeführt werden. Park et al. (2014) be-
Atemnot, Husten und Fieber, die 7 Monate
1997 Facharzt Arbeitsmedizin. 1980 Habilitation
schreiben an menschlichen Bronchialepi-
nach Beginn der Verwendung glyzerinhälti-
(Buch »Neue Wege zur Risikobewertung von
thelzellen ähnliche Veränderungen durch ger eZig histologisch diagnostiziert wurde.
Luftschadstoffen«),1989–99 Institut für Umwelt-
eZig wie durch Tabakrauch. Ingebrethsen Neben dieser seltenen Fremdkörperreak-
medizin der Stadt Wien (stv. ärztlicher Leiter). Ab
et al. (2012) und Fuoco et al. (2014) fanden tion kann es durch Acrolein, das durch Py-
1992 Leiter der Abt. für Präventivmedizin am Uni-
in Räumen mit eZig-Dampfern Partikel-
rolyse am Heizdraht entsteht, zu Schleim-
versitätsinstitut für Umwelthygiene und ab 1999
zahlen und –größen, die denen beim Pas-
hautreizungen kommen. Auch das meist Ordinarius für Umwelthygiene an der Medizini-
sivrauchen vergleichbar waren. Schripp et verwendete Lösungsmittel Propylenglykol
schen Universität Wien bis zur Emeritierung. Kon-
al. (2013) berichten geringere Partikelzah-
ist ein Reizstoff, was seit seiner Verwen-
sulent WHO (IARC, IPCS, ECEH), UNDP, ILO, EU
len in der frisch vom Dampfer bei der Aus-
dung als Theaternebel bekannt ist (Moline
(DG 12), ENSP. Vorstandsmitglied: ASTOX, ENSP,
atmung kontaminierten Raumluft, aber et al. 2000). Besonders in Tanksystemen, die
GAMED, GHUP, IUAPPA, ÖGHMP, ÖGP. Univer-
kleinere Partikelgrößen (Modus 45 nm) höhere Temperaturen erreichen, aber auch
sitätspreis, Hygienepreis, Arbeitsmedizinpreis,
als beim Passivrauchen (Modus 100 nm). gegen Ende jeder Patrone pyrolisiert Propy-
u.a. 468 Fachpublikationen (Umwelt- und Prä-
Kleine Partikelgrößen bedeuten eine große
lenglykol zu Aldehyden wie Formaldehyd, ventivmedizin): http://www.meduniwien.ac.at/
Oberfläche, die nach Inhalation für Interak-
der sensibilisierend wirkt und seit 2004 als
user/manfred.neuberger/LIST.html. Schriftleiter
tionen mit Zelloberflächen im Körper zur beim Menschen krebsfördernd eingestuft von www.aerzteinitiative.at
Wege aus der Sucht 11
Tabakrauchen und Kinder
Zu den beim Tabakrauchen freige- I. Auswirkungen von Tabakrauch in der
setzten Stoffen zählen Kohlenmo-
Schwangerschaft – das fetale Tabaksyndrom
noxid, Nitrogene, Formaldehyd, Seit über 50 Jahren sind schädigende Aus-
Hydrogenzyanid, Schwefeldioxid, Nitro-
wirkungen des mütterlichen Tabakrauches
samine, polycyclische aromatische Hyd-
auf den Fetus bekannt
rokarbone, sowie feste Stoffe wie Nikotin,
Auswirkungen vor der Geburt
Schwermetalle (Blei, Nickel, Cadmium) Bereits in der frühesten Phase der Schwan-
und Benzpyrene. Schäden werden durch gerschaft kann es durch eine Schädigung
direkt irritative, immunologische oder mit erhöhtem Risiko für Eileiterschwan-
mutagene Effekte der freigesetzten Stoffe
gerschaft kommen. Vor allem das müt-
terliche Rauchen im ersten Trimester
Nikotin, die suchtauslösende Subs-
der Schwangerschaft ist mit einer Erhö-
tanz der Zigarette steigert die Herz- und hung des Risikos für Spaltbildungen
von Angela Zacharasiewicz
Atemfrequenz, verengt die Gefäße, führt (Lippenspalte,Lippen-Kiefer-Gaumen-
zu Durchblutungsstörungen, stört den spalte) assoziiert.
Sauerstofftransport und führt rasch zu
Tabakrauch enthält mehr als 4.800
Entzugssymptomen. Die zahlreichen Frühgeburtlichkeit
Zusatzstoffe in Zigaretten, wie Paraffine,
Chemikalien, die für Menschen
Erhöhte Risikowerte für Frühgeburt sind
Wachse, Harze, Aromen, Essenzen, Öle,
potentiell giftig sind. Gesichert
ebenso zweifelsfrei bewiesen wie auch,
die als Lebensmittel genossen als unbe-
dass das Risiko für eine extreme Frühge-
denklich gelten, jedoch im Rauchtabak
schädlich sind 250 Substanzen,
burt (<32.SSW) noch einmal deutlicher
den hohen Temperaturen der Glutzone
davon mindestens 50 krebserregend.
(600–900 °C) ausgesetzt sind, verdampfen
bzw. sublimieren und verbrennen zum Die meisten beschriebenen Komplikatio-
Teil zu Kohlendioxid, Stickstoffoxiden, nen sind auf eine direkte Schädigung der
Schwefeldioxid und Wasser, werden aber im Tabakrauch enthaltenen Substanzen
auch in eine Vielzahl von Pyrolysepro-
zurückzuführen. Vor allem die vorzeitige
dukten umgewandelt. Dutzende davon Lösung der Plazenta (Mutterkuchen) ist
sind zusätzlich krebserzeugend, erhöhen in mehreren Studien belegt. In mehreren
zudem das Suchtpotential und verschlei-
Studien konnte auch ein Zusammenhang
ern die Wirkung von Tabakinhaltsstoffen,
zwischen mütterlichem Rauchen in der
da sie die stark atemwegsreizende Wir-
Schwangerschaft und Totgeburten (fetaler
kung unterdrücken.
Tod >20.SSW) festgestellt werden.
Auswirkungen nach der Geburt
Passivrauch oder Second hand smoking (SHS)
Plötzlicher Kindstod, sudden infant death
Passivrauch wurde 1992 von der US Envi-
ronmental Protection Agency als Kanze-
Rauchen in und nach der Schwangerschaft
rogen der Klasse A bezeichnet. Bekannt ist ein wesentlicher Risikofaktor für das
sind die Schäden des Passivrauchens auf SIDS und dürfte für bis zu 1/3 aller Fälle
die kindliche Gesundheit aber schon seit verantwortlich sein.
den 1960er Jahren. Da Kinder, umso jün-
ger sie sind, umso mehr Zeit im Beisein Rauchen in der Schwangerschaft hat deut-
von potentiell rauchenden Erwachsenen liche Auswirkungen auf die Lungenent-
verbringen, sind Kinder 1 ) besonders wicklung des Feten. Diese schädigenden
gefährdet und 2) können sie sich nicht Einflüsse führen zu einer Anfälligkeit für
selbst für oder gegen eine Exposition ent-
chronischen Husten und Lungenentzün-
scheiden, da sie von den Betreuungsper-
dungen, später auch zu einer Risikoerhö-
sonen abhängig sind.
hung für Asthma bronchiale.
12 Wege aus der Sucht
Sogar Adipositas, also Übergewicht ist bei
von Blutdruckerhöhung bei Vierjährigen, in Österreich der Anteil täglich rauchender
den Kindern häufiger, wenn ihre Mutter die passivrauchexponiert sind.
15-Jähriger bei den Knaben verdoppelt,
in der Schwangerschaft geraucht hat. Auch
bei den Mädchen sogar verdreifacht. 3,5%
über ein gehäufte Auftreten eines Diabetes
der elfjährigen Österreicher geben an, eine
Der frühe Rauchbeginn beim noch wachsen-
wird berichtet. Kinder von in der Schwan-
Zigarette im letzten Monat geraucht zu
den Organismus macht eine spätere Entwöh-
gerschaft rauchenden Müttern zeigen in
nung besonders schwierig.
den ersten Lebensjahren einen erhöhten
Viele Jugendliche werden bereits
Daher sollen die wichtigsten und effizientes-
Blutdruck. Auch gibt es Hinweise für eine
nach wenigen Monaten von der Zigarette
ten Maßnahmen sofort ergriffen werden, um
erhöhte Rate von Herzfehlern bei Kindern
abhängig und entwickeln ein echtes Sucht-
unsere Kinder und Jugendlichen bestmöglich
mit intrauteriner Tabakrauchexposition.
verhalten. Die leichte Zugänglichkeit,
zu schützen. Rauchverbote an allen öffent-
Verhaltensauffälligkeiten und psychiatri-
aggressive Werbung, niedriger Zigaret-
lichen Plätzen, erlaubtes Verkaufsalter für
sche Erkrankungen wie z.B das Aufmerk-
tenpreis und geringe Einschränkungen
Zigaretten deutlich hinaufsetzen (in Öster-
samkeitsdefizitsyndrom ist in einer Reihe
und Regeln im familiären, schulischen
reich derzeit 16 Jahre!), hohe Zigaretten-
von Arbeiten mit mütterlichen Rauchen
und Freizeitbereich sind besonders
preise (besonders wirkungsvoll!) und totales
in der Schwangerschaft assoziiert. Ebenso
gefährlich, da das alles das Rauchverhal-
Werbeverbot inklusive Plain Packaging.
wurden vermehrt Lernschwierigkeiten
ten von Jugendlichen fördert.
und eine Risikoerhöhung für psychotische
Erkrankungen bei Kindern von Müttern, Als Third hand smoking wird die Tat-
Angela Zacharasiewicz, M.D., Priv.Doz., MBA
die in der Schwangerschaft geraucht hat-
sache bezeichnet, dass Tabaktoxine an Oberärztin an der Abteilung für Kinder und
Teppichen, Vorhängen, Kleidung, Nahrung
Jugendheilkunde (Schwerpunkt Kinderpulmolo-
und Möbeln hängen bleiben und Wochen gie) im Wilhelminenspital Wien
II. Auswirkungen Passivrauchbelastung für bis Monate später noch nachweisbar sind. geboren 1974 in Graz, Studium der Medizin in
Kinder und Jugendliche
Auch das betrifft Kleinkinder mehr, da sie Wien, langjährige Forschungsaufenthalte in
sich eher in Bodennähe aufhalten und viele
Wellington, Neu Seeland und Royal Brompton
Die häufigste negative Folge von Passiv-
Dinge in den Mund nehmen und daher Hospital, London
rauchen sind Infektionen der unteren diese hier direkt in den Körper aufnehmen
Habilitation 2006, seit 2007 Additivfach Pädia-
Atemwege bei Kleinkindern (weltweit können.
trische Pneumologie, seit 2009 Oberärztin an der
jährlich 5 939 000). Schweres Asthma ist
Abteilung für Kinder und Jugendheilkunde, Kin-
ebenso häufiger. Zudem ist belegt, dass III. Aktives Rauchen
derklinik Glanzing, Wilhelminenspital Wien, Lei-
Spitalsaufnahmen wegen Asthma Ver-
In Österreich gibt es mehr jugendli-
terin der Spezialambulanz für Kinder und Jugend-
schlechterungen bei Kindern sofort lan-
che Raucher als in Deutschland und der liche mit Cystischer Fibrose und für Kinder mit
desweit abnehmen, sobald eine rauchfreie
Schweiz. Seit Mitte der 80er Jahre hat sich Allergien, Wissenschaftliche Betreuung von Dip-
Umgebung durch sinnvolle Tabakgesetze
lomanden und PhD Studenten zum Thema Opti-
mierung der Notfallversorgung in pädiatrischen
Neben anderem sind auch hier neuro-
Ambulanzen und zur Auswirkung von Passivrau-
logische und psychiatrische Erkrankungen
chen auf Säuglinge und Kleinkinder, Referentin
häufiger. Kinder aus Familien, in welchen
bei internationalen Kongressen, aktives Mitglied
geraucht wurde, zeigten in einer großen
der AG Wissenschaft und Arbeitskreisleiterin der
epidemiologischen Studie häufiger Ver-
AK Pädiatrische Pneumologie der Österreichi-
haltensauffälligkeiten. Auch Langzeit-
schen Gesellschaft für Pneumologie, Generalse-
studien konnten zeigen, dass selbstver-
kretärin der Initiative gegen Raucherschäden.
ursachte Verletzungen neben anderen
Variablen auch dann erhöht sind, wenn
die primäre Bezugsperson per Frage-
bogen angab, eine Raucherin bzw. ein
Raucher zu sein.
Eine Beeinflussung von unter-
schiedlichsten Funktionen des Immun-
systems führt dazu, dass Hirnhaut-
entzündungen und andere schwere
lebensbedrohliche Infektionen bei
passivberauchten Kindern häu-
figer sind. Eine rezente Studie
zeigte einen Zusammenhang
Wege aus der Sucht 13
Ökonomische Effekte des Rauchens
Wirft man einen Blick auf die Mehrperiodige Rechenmodelle ver-
»Übersterblichkeit« der Rau-
gleichen die realen mit den hypothetischen
cher bei einzelnen Erkran-
Aufwendungen einer rauchfreien Gesell-
kungen [1], so ist die WHO-Aussage kei-
schaft über den Lebenszyklus der einzelnen
ne hohle Phrase. Raucher weisen ein Alterskohorten. Dadurch erfasst man die
25-fach und Ex-Raucher ein immerhin oft propagierten »positiven« Effekte einer
noch 8-fach erhöhtes Risiko für Lungen-
frühzeitigen Sterblichkeit von Rauchern.
krebs auf [2]. Das bedeutet, rund 90% aller
Die derzeit aktuellsten Schätzungen
Lungenkrebstoten in Österreich wären für Österreich [4] beziehen sich auf das Jahr
2003 und beziffern die medizinischen Kos-
Auch bei den Morbiditäten sprechen
ten des Rauchens auf jährlich € 54 Mio.
die Zahlen gegen Raucher. Es besteht ein
bzw. 0,26 % der Gesundheitsausgaben im
12-fach höheres für COPD und ein 3-fach
Jahr 2003 (siehe Tabelle). Zum Vergleich:
von Markus Pock
höheres Risiko für ischämische Herzer-
ohne Berücksichtigung der höheren Le-
krankungen [2]. Diese Erkrankungen sind
benserwartung von Nichtrauchern wären
chronisch und persistieren auch nach es 3,3 % der Gesundheitsausgaben.
Dass Rauchen gesundheitsschädlich Zigarettenabstinenz.
Die rund 1,9 Mio. Raucher verursa-
Man kann nicht oft genug betonen,
ist, bestreitet heute niemand mehr.
chen weitere Mehrkosten aufgrund ihrer
dass diese Zahlen das zusätzliche Ge-
erhöhten Morbidität im Erkrankungs-
Der Konsum von Tabakwaren stellt
sundheitsrisiko von Rauchern darstel-
bzw. Invaliditätsfall. Die Kosten für Pfle-
len und nicht etwa ein Risiko, das durch
heute in Industrieländern das bedeu-
gegeld, Krankengeld und Invaliditäts-
andere typische Zivilisationserkrankun-
pensionen belaufen sich in Summe auf
tendste einzelne Gesundheitsrisiko
gen von Nichtrauchern kompensiert jährlich € 75 Mio.
werden würde. Mehr noch: Rauchen ist
für Atemwegs-, Herz-Kreislauf-¬
Zusätzlich verursacht der typische
sogar eine Ursache für Diabetes [3]. Auf-
erwerbstätige Raucher ökonomische
sowie Krebserkrankungen dar und
grund der »Übersterblichkeit« der Rau-
Mehrkosten bedingt durch häufigere
cher sterben diese im Schnitt um 5 Jahre
ist somit laut der WHO die größte
Krankenstände, Invalidität und vorzeitige
früher als Nichtraucher. Eine Hochrech-
Sterblichkeit. Diese Arbeitsausfälle wur-
vermeidbare Todesursache moderner nung für Österreich ergab, dass rund 10% den für das Jahr 2003 auf 17.600 Vollzeit-
der insgesamt Verstorbenen pro Jahr auf
äquivalente geschätzt [4]. Dadurch gehen
Rauchen zurückzuführen sind [4].
der österreichischen Volkswirtschaft jähr-
lich rund € 1.430 Mio. oder 0,63 % des Brut-
Kosten des Rauchens
toinlandprodukts verloren (siehe Tabelle).
Wie wirken sich nun diese medizini-
schen Tatsachen auf die budgetären Passivrauchen
Kenngrößen im Gesundheits- und Sozi-
Die wissenschaftliche Evidenz zu den ge-
alwesen in Österreich aus?
sundheitlichen Folgen von Passivrauchen
Da in Österreich keine Realdaten aus
nimmt stetig zu [3]. Zwar ist die gesund-
groß angelegten Kohortenstudien exis-
heitliche Beeinträchtigung im Vergleich
tieren, behilft sich die Gesundheitsöko-
zu Aktivrauchern weitaus geringer. Jedoch
nomie mit dem Konzept der SAF (smo-
wiegt diese gesellschaftspolitisch beson-
king-attributable fraction). Nach dieser ders schwer, da unfreiwillig. Das oft pro-
Methode werden anhand der Raucher-
pagierte Recht auf Selbstbestimmung und
Prävalenzraten, der Sterbeziffern und Freiheit des Rauchers geht somit zulasten
des Überschussrisikos aus epidemiologi-
des Passivrauchers. Maßnahmen zur Rau-
schen Studien diejenigen Kosten identi-
cherentwöhnung und zum Nichtraucher-
fiziert, die direkt oder indirekt dem Rau-
schutz sind deshalb ein wichtiger Bestand-
chen zuzuschreiben sind.
teil nationaler Gesundheitspolitik.
14 Wege aus der Sucht
Beträge pro Jahr *)
des Tabakrauchens in Österreich
Alters- abzgl. Witwenpensionen
Kosten pro Jahr
davon aufgrund von Passivrauchen
*) annuisierte Ergebnisse des Lebenszyklus-Modells, Basis 2003
Nutzen des Rauchens
vernachlässigende Größe, welche den po-
Österreich ist in Europa Schlusslicht
Andererseits profitiert der Staat durch die tenziellen Mehrkosten im Bereich der Al-
bei der Umsetzung des Nichtraucherschut-
fiskalischen Einnahmen aus der Tabak-
terspensionen weitgehend kompensiert. zes; dafür Spitzenreiter bei der Raucherprä-
steuer; in Zeiten der Budgetnot eine will-
Den Berechnungen zufolge belaufen sich
valenz. Der sich daraus ableitenden politi-
kommene Quelle. Im Jahr 2013 waren es die zusätzlichen Aufwendungen der öf-
schen Verantwortung wird in Österreich
immerhin € 1,66 Mrd.
fentlichen Hand in einer rauchfreien Ge-
bis dato nur halbherzig Rechnung getra-
Diese Quelle findet ihren Ursprung bri-
sellschaft im Bereich der Alters- und Hin-
gen. Verstärkte Maßnahmen zur Raucher-
santerweise im Tabakkonsum der Jugendli-
terbliebenenpensionen jährlich auf nur € entwöhnung und zum Nichtraucherschutz
chen. Einer Hochrechnung zufolge rauchten
45 Mio. od. 0,2 % des Pensionsaufwands wären deshalb ein wichtiger Bestandteil
im Jahr 2006 ca. 20% der 11- bis 17-Jährigen für Alters- und Witwen-/Witwer-Pensio-
zukünftiger Gesundheitspolitik. Das kom-
mindestens eine Zigarette täglich [5]. Die da-
nen im Jahr 2003 [4].
mende »Rauchfrei« in der Gastronomie ist
raus lukrierte Tabaksteuer betrug € 60 Mio.
ein Schritt in die richtige Richtung.
Somit stammten rund 4% des gesamten Volkswirtschaftliche Bilanz
Tabaksteueraufkommens im Jahr 2006 aus Eine Aufrechnung von Kosten und Nutzen
dem Zigarettenkonsum von Minderjähri-
ergibt, dass die gesellschaftlichen Kosten
gen. Überspitzt formuliert: Der Staat ver-
des Rauchtabakkonsums dessen Nutzen [1] Für Hartgesottene: WHO, The smokers's body:
dient Millionen an jugendlichen Rauchern, jährlich um rund € 510 Mio. übersteigen www.who.int/tobacco/research/smokers_body/
ohne entsprechende Präventions- und Ent-
(siehe Tabelle). Diese Differenz entspricht
wöhnungsmaßnahmen zu finanzieren … ein
0,23 % des Bruttoinlandprodukts für das [2] CDC (2004): The health consequences of smo-
Jahr 2003 [4]. Auf das Jahr 2014 umgelegt king. A report of the Surgeon General. Centers for
Ein oft vorgebrachtes Argument zielt belaufen sich die Nettokosten auf rund € Disease Control and Prevention. US Department
auf die finanzielle Belastung der gesetzli-
of Health and Human Services
chen Pensionskassen durch eine höhere Laut IHS-Studie stellen die Ergebnis-
[3] CDC (2014): The health consequences of smo-
Lebenserwartung ab. Obwohl diese realpo-
se jedoch eine Unterschätzung der wah-
king: 50 years of progress. A report of the Sur-
litische Argumentation auf eine unethische
ren Kosten des Rauchens dar, da schwer geon General. Centers for Disease Control and
Befürwortung eines vorzeitigen Todes der quantifizierbare Kostenaspekte wie bspw.
Prevention. US Department of Health and Human
Raucher hinausläuft, ist dieser Aspekt des durch brennende Zigaretten verursachte Services
erhöhten Alterspensionsaufwandes in ei-
Arbeits- und Verkehrsunfälle sowie Sach-
[4] Pock M, Czypionka T, Müllbacher S, Schnabl
ner rigorosen Kosten-Nutzen-Rechnung brände nicht erfasst wurden.
A (2008): Volkswirtschaftliche. Effekte des Rau-
chens. Eine ökonomische Analyse für Österreich.
Dazu gegenläufig verhält sich in einer
rauchfreien Gesellschaft die potenzielle Nationale und internationale Studien be-
Abnahme der Witwen/er-Pensionszu-
legen, dass Raucher volkswirtschaftliche [5] Neuberger, Pock (2009), Einnahmen des Staa-
erkennungen bedingt durch eine niedri-
Kosten verursachen. Diese Kosten können
tes aus dem Zigarettenkonsum Minderjähriger in
gere Sterblichkeit der Nichtraucher. Vor durch Tabaksteuer und voraussichtliche Österreich. Wiener Klinische Wochenschrift, 121
allem der »Witwen-Effekt« ist aufgrund Einsparung der gesetzlichen Pensionsver-
(15–16): 510–514
des im Schnitt niedrigeren Alters und der
sicherungen bei weitem nicht gedeckt wer-
höheren Lebenserwartung der Ehefrau den. Aus ökonomischer Sicht ist daher die Mag. Dr. Markus Pock
sowie der (derzeit noch) niedrigeren Rau-
fiskalische Nutznießung des Konsums von
Institut für Höhere Studien, Wien,
cherprävalenz bei Frauen eine nicht zu Rauchtabakwaren nicht gerechtfertigt.
HealthEcon – Gesundheit & Pflege
Wege aus der Sucht 15
Suchtprävention ist dem Grünen Kreis ein besonderes Anliegen. Die Im Rahmen der ambulanten Abklärung erhalten Betroffene je nach
Abteilung für Suchtprävention entwickelt individuell zugeschnittene,
Bedarf individuelle Unterstützung und Begleitung. Sie erfolgt durch
präventive Konzepte für öffentliche und private Unternehmen sowie
die MitarbeiterInnen des Beratungsteams (Vorbetreuung) bzw. die
Schulen, um dort zu helfen, wo im Vorfeld der Weg in die Sucht ver-
MitarbeiterInnen in den ambulanten Beratungs- und Betreuungs-
hindert werden kann. Wir bieten: Vorträge, geleitete Diskussionen, zentren. Das Beratungsteam ist in ganz Österreich für Betroffene
Seminare, Outdoor-Workshops/-Veranstaltungen, sowie spezielle unterwegs. Gespräche finden in Krankenhäusern, Justizanstalten, Ein-
Angebote im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung, im Umgang mit
richtungen der Sozialen Arbeit, in den Beratungszentren des Vereins
Stress, Kommunikation und Konfliktstrategien.
Grüner Kreis und überall dort statt, wo sich Hilfesuchende aufhalten.
In Betrieben
Unser Angebot richtet sich an
Unsere betriebliche Suchtprävention hilft, Lernprozesse in Gang zu • Menschen mit substanzgebundenen Suchterkrankungen
bringen. Sie will den Blick schärfen, um Krankheitsrisiken frühzeitig zu
(legale und illegale Substanzen)
erkennen, und mithelfen, sinnvolle innerbetriebliche Lösungsansätze
• Menschen mit nicht substanzgebundenen Suchterkrankungen
zu erarbeiten. Der Erwerb von Wissen und Handlungskompetenz, die
(z.B. pathologisches Glücksspiel)
Schulung von Lehrlingen, MitarbeiterInnen und Führungskräften sind
• suchtkranke Erwachsene und Jugendliche
vor diesem Hintergrund entscheidende Maßnahmen.
• ältere Suchtkranke
• suchtkranke Eltern und Mütter mit ihren Kindern
In Schulen
• Menschen mit komorbiden Erkrankungen
Während der Schulzeit durchlaufen Kinder und Jugendliche häufig • KlientInnen aus Wien, die einen körperlichen Teil- oder Voll-
krisenhafte Entwicklungsphasen. Schulische Suchtprävention kann entzug absolvieren möchten
dazu beitragen, Jugendliche zu stützen, Entlastung zu schaffen, sie in • KlientInnen aus Wien, die eine Alkoholrehabilitation absolvieren
die Lage zu versetzen, auf Krisensituationen kompetent zu reagieren
• Menschen mit einer richterlichen Weisung (§35 und §39 SMG,
und ein suchtförderndes Verhalten zu vermeiden.
§50 StGB, §173 StPO)
Die stationäre Kurzzeittherapie (Dauer bis zu 6 Monaten) ist gedacht
Die stationäre Langzeittherapie (Dauer 6 bis 18 Monate) ist gedacht
für erwachsene Suchtkranke, die einer kurzfristigen stationären Inter-
für jugendliche, erwachsene Suchtkranke, Paare oder Mütter mit
vention bedürfen, die rasch stabilisiert werden können und in einer
Kindern, MultimorbiditätsklientInnen, ältere Suchtkranke und Men-
weiterführenden ambulanten Therapie behandelt werden können. schen, die ihr Leben und sich selbst neu organisieren und neu orientie-
Idealerweise sind diese KlientInnen in ihrem persönlichen Umfeld ren müssen. Sie ist für Menschen geeignet, die über einen sehr langen
noch sozial integriert. Eine abgeschlossene Ausbildung oder eine Zeitraum eine Vielzahl von Suchtmitteln missbrauchen (Polytoxiko-
Arbeitsstelle ist vorhanden bzw. es kann wieder rasch ein Arbeitsplatz
manie), bei Abhängigen mit psychiatrischen Diagnosen, Persönlich-
gefunden werden.
keits- und/oder Sozialisationsstörungen, psychischen oder physi-
Aufnahme finden auch KlientInnen mit einer Weisung zu einer
schen Folgeerkrankungen sowie psychosozialen Auffälligkeiten.
gesundheitsbezogenen Maßnahme (»Therapie statt Strafe« nach
§35 und §39 SMG, §50 STGB, §173 STPO). Kostenübernahme Therapieziel ist das Erleben von stützenden, zwischenmenschlichen
durch den Bund maximal 6 Monate.
Beziehungen und das Erkennen und Verstehen von Zusammenhängen
Im Rahmen der stationären Kurzzeittherapie findet auch die zwischen Suchterkrankung und eigener Lebensgeschichte. Die nach-
Alkoholentwöhnung/-rehabilitation für Wiener KlientInnen (Dauer
haltige Rehabilitation und Integration der KlientInnen, ein geregeltes
1 bis 2 Monate) statt.
Arbeitsleben, gesicherte Wohnsituation, finanzielle Absicherung, Fin-
Die Betroffenen nehmen, wie alle anderen KlientInnen der Thera-
den und Förderung von Ressourcen, Berufsfindung und -ausbildung
peutischen Gemeinschaft, am gesamten Therapieprogramm teil und
stehen im Vordergrund.
werden vom jeweiligen multiprofessionellen Team begleitet. Ziele
sind ein abstinentes oder ein substituiertes Leben ohne Beikonsum
zu ermöglichen sowie die Stabilisierung und rasche Reintegration in
ein soziales Umfeld.
16 Wege aus der Sucht
Stationärer Vollentzug & Teilentzug
Ambulante Betreuung und Behandlung/Rehabilitation bedeutet KlientInnen mit Hauptwohnsitz in Wien haben die Möglichkeit eines
die Begleitung von Betroffenen unter Beibehaltung ihrer aktuellen stationären körperlichen Teil- oder Vollentzugs im Sonderkranken-
Lebensumstände. Das heißt, die Behandlung wird in den persönlichen
haus Marienhof.
Alltag der/des Betroffenen integriert. In unseren fünf ambulanten
Beratungs- und Betreuungszentren in Wien, Graz, Linz, Klagenfurt Die Dauer der Behandlung hängt von der jeweiligen Substanz ab: Teil-
und Wr. Neustadt, bieten wir ein breites Beratungs- und Behandlungs-
oder Vollentzug Alkohol - Zeitraum ca. 14 Tage; Teil- oder Vollentzug
spektrum an.
illegale Substanzen - bis zu 8 Wochen.
Für Wiener KlientInnen wird die Ambulante Therapie/Rehabilitation
Beim Vollentzug ist das Ziel naturgemäß der vollständige körperliche
in vier Intensitätsmodulen zwischen 3 und 24 Monaten angeboten. Entzug von legalen und/oder illegalen Substanzen.
Sie ist sowohl für nicht substituierte KlientInnen als auch für substi-
tuierte KlientInnen, für KlientInnen mit einer substanzgebundenen Eine weitere notwendige Behandlung/Rehabilitation kann im
sowie mit einer nicht substanzgebundenen Suchterkrankung, sowohl
Anschluss an den Voll- bzw. Teilentzug vor Ort geplant werden, da an
für Jugendliche als auch Erwachsene geeignet.
den Entzug immer zumindest ein kurzes stationäres Modul oder ein
längeres stationäres bzw. ambulantes Modul anschließt.
Für KlientInnen aller übrigen Bundesländer beträgt die ambulante
Behandlung/Rehabilitation 6 bis 18 Monate.
Beim Teilentzug werden alle legalen/illegalen Substanzen unter Bei-
Am Ende dieser Behandlung/Rehabilitation sollten KlientInnen in der
behaltung eines Substitutionsmittels entzogen. Der Teil- oder Voll-
Lage sein, ihr Leben selbstbestimmt führen zu können, die nötigen entzug wird immer mit besonderem Augenmerk auf die Bedürfnisse
Hilfskontakte und -ressourcen zur Hand zu haben, sozial integriert der einzelnen KlientInnen durchgeführt. Basis dafür ist eine allgemein-
und finanziell abgesichert zu sein, sich in einer zufriedenstellenden medizinische und psychiatrische Anamnese, aus der sich die Behand-
Wohnsituation und im Idealfall in einem Arbeits- oder Ausbildungs-
verhältnis zu befinden.
Die stationäre Dauerbetreuung mit und ohne dislozierter Wohnform
Im Rahmen des Gemeinnützigen Beschäftigungsprojektes wird Kli-
bietet Betroffenen nach Abschluss der stationären Behandlungs-
entInnen, die das stationäre Langzeittherapieprogramm erfolgreich
phase ein Folgebetreuungs- und Behandlungsmodell, um den Betrof-
abgeschlossen haben, die Möglichkeit geboten, einen vom AMS Nie-
fenen beistehen und die gewonnene psychische und physische Sta-
derösterreich geförderten Arbeitsplatz auf Zeit zu erhalten. Die Tran-
bilität aufrechterhalten zu können. Auf diese Weise können Schritte sitmitarbeiterInnen sind in den verschiedensten Arbeitsbereichen
zur größtmöglichen Selbständigkeit erprobt und umgesetzt werden. (Landwirtschaft, Bau und Renovierung, Tischlerei, Fuhrpark, Semi-
Zudem können die Strukturen der Therapeutischen Gemeinschaft narhotel, Kreativwerkstätten, Schlosserei, Büro, Catering, Lager etc.)
weiterhin genutzt werden. Die langjährigen Erfahrungen des Vereins eingesetzt und werden von qualifiziertem Fachpersonal angeleitet.
Grüner Kreis mit Menschen mit vorliegender Komorbidität zeigen Zusätzlich zu den geförderten Arbeitsplätzen auf Zeit werden Klient-
die dringende Notwendigkeit einer möglichen Weiterbetreuung und Innen und ExklientInnen bei Umschulungen, Lehrlingsausbildungen
-behandlung/Rehabilitation nach abgeschlossener stationärer Thera-
und spezifischen FacharbeiterInnenausbildungen entsprechend ihrer
pie (über 18 Monate hinaus).
individuellen Interessen unterstützt. Durch dieses Programm konnte
die Therapieerfolgsquote deutlich gesteigert und die anschließende
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, entweder in einer integrier-
Reintegration in den freien Arbeitsmarkt entscheidend verbessert
ten Wohneinheit der Therapeutischen Gemeinschaft oder in einer werden. Bei entsprechender Weiterentwicklung und Berufsausbil-
nahe gelegenen, vom Grünen Kreis angemieteten, Wohnung autonom
dung der KlientInnen ist nach Beendigung der TransitmitarbeiterIn-
zu leben. Die entsprechende dazugehörige Betreuung erfolgt nach nenphase auch eine Übernahme in ein reguläres Beschäftigungsver-
einem gemeinsam und individuell entwickelten Behandlungs/Rehabi-
hältnis beim Verein Grüner Kreis möglich.
litations- und Betreuungsplan.
Wege aus der Sucht 17
(Passiv)rauchen in Österreich
Eine Erfolgsgeschichte für die Tabakindustrie, eine Schande für die Gesundheitspolitik
Wir rauchen diesen Scheiß nicht. Wir über die Lunge ins Blut aufgenommen und
überlassen das den Jungen, den Armen,
erreicht innerhalb weniger Sekunden das
den Schwarzen und den Dummen.
Gehirn, schneller als das bei einer Injektion
in die Vene möglich wäre.
Haben wir in Österreich mehr Dumme als Die Nikotinabhängigkeit entsteht
andere Länder?
durch das Zusammenspiel mehrerer
2,8 Millionen ÖsterreicherInnen rauchen Faktoren und beinhaltet eine physische
– das sind ca. 33% der Bevölkerung. Wäh-
(körperliche) und eine psychische Kom-
rend der Anteil rauchender Männer in ponente. Entscheidend für die physische
den letzten Jahren kontinuierlich gefal-
Abhängigkeit ist die Wirkung des Nikotins
len ist, haben die Frauen »aufgeholt. Jedes im Gehirn: Es bindet an Nikotinrezeptoren
Jahr sterben 10.000 Raucher in Österreich und stimuliert dadurch das Belohnungs-
vorzeitig (14 Jahre zu früh) an den Folgen zentrum des Gehirns, der erste Schritt in
von Reinhard Kürsten
des Tabakkonsums. Österreich nimmt laut
die Abhängigkeit (physische Abhängig-
Europäischer Krebsliga in der Tabakkon-
keit)ist damit getan.
trolle unter 34 Ländern im europäischen
Der Körper gewöhnt sich an das Nikotin
Als man einen Manager von
Raum den beschämenden letzten Platz ein.
und bildet immer mehr Nikotinrezeptoren,
Besorgniserregend ist der hohe Anteil von
JP Reynolds einmal fragte, warum
die gesättigt werden wollen. Schon nach
Rauchern in der jugendlichen Bevölke-
wenigen Zügen an einer Zigarette sind alle
die Führungs-Riege nicht rauche,
rung. 56% der Burschen und 51% der Mäd-
Nikotinrezeptoren besetzt. Gleichzeitig
chen unter 19 Jahre rauchen. Mehr als ein
antwortete er: »We don't smoke
zu der durch Nikotin verursachten Dopa-
Viertel aller Jugendlichen in Österreich minausschüttung im Belohnungszent-
this shit. We only sell it. We reserve ist nikotinsüchtig. Damit hat die Tabakin- rum stimulieren andere Dopaminbahnen
dustrie in Österreich eines ihrer wichtigs-
the right to smoke for the young,
einen Bereich im Gehirn, der an Lernvor-
ten Ziele erreicht: jüngere Menschen zum gängen beteiligt ist. So wird Rauchen mit
the poor, the black, and the stupid.« Rauchen zu bringen. »We need to hook bestimmten Situationen (beispielsweise
them young and hook ´em for life«, hat ein der Tasse Kaffee am Morgen, der Zigarette
Manager der Tabakindustrie dazu gesagt.
nach dem Essen) in Verbindung gebracht,
Eine Nikotinabhängigkeit entwickelt sich sodass eine Konditionierung entsteht. Die-
besonders bei Jugendlichen sehr schnell. ser Prozess macht den Ausstieg so schwer,
Durchschnittlich sind jugendliche Rau-
weil allein bestimmte Situationen schon
cherinnen und Raucher nach eineinhalb das Verlangen nach einer Zigarette hervor-
Jahren regelmäßigem Tabakkonsum rufen können. Die psychische Abhängig-
keit ist erreicht.
Eine Zigarette enthält bis zu 13 mg Eine Dauerabhängigkeit von Nikotin
Nikotin, wovon beim Rauchen rund ein bis
tritt viel leichter auf als für das verbotene
zwei Milligramm aufgenommen werden. Haschisch und die schwere Nikotinab-
Gerne wird von Rauchbefürwortern darauf
hängigkeit dürfte wohl mit der von harten
hingewiesen, dass Tabak ein Naturprodukt
Drogen, wie Opiaten, vergleichbar sein.
und Kulturgut ist. Übersehen wird dabei,
dass das, was die Tabakindustrie heute Passivrauchen – unterschätzte Gefahr
als Zigarette verkauft, eine Art Designer-
Dass Rauchen abhängig macht und der
Droge darstellt, die jeden zweiten Konsu-
Gesundheit schadet, wird heute nicht ein-
menten tötet. Durch Zugabe zahlreicher mal mehr von der Tabakindustrie bestritten.
Zusatzstoffe wird erreicht, dass die erste Man kann aber wohl zu Recht argumen-
Zigarette nicht zu unangenehm schmeckt tieren, dass es jedem Menschen frei steht,
und möglichst rasch eine Abhängigkeit sich ungesund zu verhalten. Ganz anders
erzeugt wird. Nikotin wird beim Rauchen sieht es aus, wenn ein Verhalten dazu führt,
18 Wege aus der Sucht
anderen Menschen Schaden zuzufügen. Passivrauch – die Fakten
Ammoniak, Formaldehyd, Kohlenmono-
Daher war es für die Tabakindustrie und Tabakrauch besteht zu 85% aus dem Neben-
xid) und ca.70 davon können Krebserkran-
all jene, die sich gegen Einschränkungen stromrauch, der von der glimmenden Ziga-
kungen verursachen (z.B. polyzyklische
des Tabakkonsums wehren , eine schlechte
rette in den Rauchpausen ausströmt und aromatische Kohlenwasserstoffe, N-Nitro-
Nachricht, als erste wissenschaftliche Stu-
zu 15% aus dem Hauptstromrauch, der vom
samine, Benzol, Arsen, Cadmium und das
dien eine Gesundheitsgefährdung durch Raucher inhaliert und wieder ausgeatmet radioaktive Isotop Polonium 210).
Passivrauchen nachweisen konnten.
wird. Aufgrund unterschiedlicher Verbren-
Für diese Kanzerogene kann kein unbe-
Bereits 1978 war in einer für die ame-
nungstemperaturen sind die Schadstoffe denklicher Grenzwert definiert werden.
rikanische Tabakindustrie angefertigten im Nebenstromrauch zum Teil in vielfach Zwar sinkt mit abnehmender Dosis das
geheimen Studie zu lesen: »was der Rau-
erhöhter Konzentration enthalten.
Risiko proportional, es wird jedoch auch
cher sich selbst antut, ist seine Sache, aber Der Passivraucher atmet mehr als unterhalb des zugänglichen Nachweisbe-
was er dem Passivraucher antut, ist eine 7000 verschiedene zum Teil geruchlose reiches nicht null. Denn auch geringe Men-
andere Sache… das sehen wir als die größte
und unsichtbare Substanzen ein. Über 100 gen gentoxischer Kanzerogene können die
Gefahr für die Tabakindustrie«.
davon sind giftig (darunter z.B. Blausäure, DNA schädigen.
Passivrauchbedingte Beschwerden bei Erwachsenen
Chronische Krankheiten und Todesursachen
Asthma (Entstehung und Verschlimmerung)
Reizung der Atemwege (Folge Husten und Auswurf)
Lungenentzündung (Entstehung und Verschlimmerung)
Kurzatmigkeit bei körperlicher Belastung
Bronchitis (Entstehung und Verschlimmerung)
Verschlimmerung von MukoviszidoseChronisch obstruktive Lungenerkrankungen
Herz- und Gefäßerkrankungen
Augenbrennen und Tränen
Koronare Herzkrankheit, Herzinfarkt
Schwellung und Rötung der Schleimhäute
Periphere arterielle Verschlusskrankheit
KrebserkrankungenLungenkrebsBrustkrebs (bei prämenopausalen Frauen)
Passivrauchen in der Stillzeit, im Säuglings- und Kindesalter erhöht das Risiko für:
Störungen des Allgemeinbefindens wie Bauchweh,
Verzögertes Wachstum der Lungen, verminderte
Erkrankungen der unteren Atemwege wie Lungenent-
zündungen, BronchitisAkute und chronische Atemwegssymptome wie Atem- Entstehung von Karies bei kindlichen Milchzähnennot, chronischer Husten, vermehrt AsthmaanfälleEntwicklung von Asthma
In Österreich sterben jährlich ca. 1.000 sivrauch Krebs auslösen) sowie an chroni-
ringert. Das liegt daran, dass das Einatmen
Nichtraucher an den Folgen von Passiv-
schen Lungenkrankheiten und Asthma. In von Rauch unmittelbar zur Verstopfung
rauch. Die überwiegende Zahl davon an Ländern, in denen strikte Rauchverbote in von Herzkranzgefäße führen kann.
Schlaganfall und Herzinfarkt, aber auch der Gastronomie eingeführt wurden, hat Der kindliche Organismus reagiert
an Lungenkrebs (leider kann auch schon sich die Zahl der Herzinfarkte bereits im viel empfindlicher auf die Einwirkun-
zeitlich sehr begrenztes Einatmen von Pas-
ersten Jahr um durchschnittlich 17% ver-
gen des Tabakrauches als der Seite 21
Wege aus der Sucht 19
Für die unaufdringliche Normalität
des Nichtrauchens
Nikotin ist ein »niederschwelliges« normalen Entwicklung der Jugendlichen.
Suchtmittel. Als Tabak ist es rela-
Sie möchten Zigaretten ausprobieren, um
tiv leicht erhältlich, immer dabei zu erfahren, wie es ist – und warum jene
und kann sehr unkompliziert konsumiert Erwachsenen oder älteren Jugendlichen,
werden. Rauchen ist - immer noch - nichts
die rauchen, ein Vergnügen daran haben.
Ungewöhnliches. Tatsächlich rauchen Die Gründe für den regelmäßigen Griff
38 % der Menschen in Österreich, 33 % zur Zigarette haben bei Jugendlichen oft
davon regelmäßig; davon 15 % mindestens
auch mit dem Freundeskreis und dem
20 Zigaretten und 11 % 10 bis 19 Zigaret-
Weggehen zu tun. Schließlich werden
ten pro Tag. Gleichzeitig wissen wir, dass von den Jugendlichen Begründungen wie
Nikotin eine der stärksten suchterzeugen-
»weil meine Freunde rauchen« und »weil
den und -erhaltenden Substanzen ist. Wir es zum Weggehen dazugehört« als Rauch-
wissen auch, tabakassoziierte Erkrankun-
motive genannt. Die Zigarette ist also auch
gen sind in Österreich die häufigste Todes-
ein Medium der Geselligkeit und Zuge-
von Dominik Batthyány
ursache. Jährlich sterben in Österreich hörigkeit. Rauchen schafft eine Atmo-
14.000 Menschen an den Spätfolgen des sphäre der Verbundenheit, begleitet und
Rauchens. In einem Zeitraum von 10 Jahren
Prävention als Selbstheilung:
fördert scheinbar die Kontaktaufnahme
entspricht dies der dreifachen Einwoh-
»Wenn du nicht für dich aufhören
und erhöht das Gemeinschaftsgefühl. Und
nerzahl von St. Pölten. Hier wird deutlich: natürlich kann Rauchen auch ein Mittel
Tabakprävention ist eine absolute Not-
kannst. tue es für sie, tue es für die
sein, um Stress, Einsamkeit, Traurigkeit,
wendigkeit und sollte aus der gesellschaft-
Kinder. Denn indem was du tust,
Frust und Langeweile scheinbar zu bewäl-
lichen und individuellen Gesundheitsvor-
sorge nicht wegzudenken sein. – Wo aber
zeigst du ihnen, was normal und
Und was hält Kinder und Jugendliche
muss Prävention ansetzen?
erwachsen ist. Tue es für sie, wenn
vom Rauchen ab? Welche Faktoren moti-
vieren Kinder und Jugendliche, gar nicht
du es nicht für dich tun kannst.
erst nicht mit dem Rauchen zu beginnen?
Die große Mehrheit beginnt mit dem Rau-
– Und tue es dadurch für dich.«
Im Rahmen einer Studie der Medizini-
chen schon im Jugendalter. Das ist alarmie-
schen Fakultät Mannheim und der Uni-
rend. Etwa 90% aller Raucherinnen und versität Heidelberg wurden insgesamt
Raucher beginnen vor ihrem 19. Lebens-
811 Schülerinnen und Schüler anonym
jahr damit. Und in der Altersklasse von 15 befragt. Nach eigenen Angaben stellten
bis 29 Jahren greifen 40 Prozent der Men-
Gesundheitliche Gründe bei der Entschei-
schen regelmäßig zur Zigarette. Gleichzei-
dung, nicht zu rauchen, die mit Abstand
tig möchten viele damit aufhören. Bei den wichtigsten Motive dar. Darunter werden
13- bis 16-jährigen Raucherinnen und Rau-
vor allem die Vermeidung von Krebser-
chern haben dies bereits 29 % erfolglos ver-
krankungen und der Erhalt der eigenen
sucht, bei den 17- bis 19-Jährigen bereits 49
körperlichen Kondition genannt. Wäh-
%. Hier greift Sucht bereits zu. Vor diesem rend Schülerinnen häufiger als Schüler
Hintergrund muss Prävention vor allem gesundheitliche und ästhetische Gründe
auch bei den Ursachen und Motiven dieses
(wie Ekel, Geruch- und Geschmacksaver-
frühen Konsums ansetzen.
sion, Vermeidung von Zahnverfärbungen)
angeben, führen Schüler häufiger als Schü-
lerinnen ökonomische Motive an (Zigaret-
Die Jugend ist eine Zeit der Identitäts-
suche. Es geht ums »Coolsein« und um
Anerkennung. Im Akt des Rauchens fallen
Prävention und rauchfreie Normalität
verschiedene Sehnsüchte raffiniert zusam-
Die »österreichische ARGE Suchtvorbeu-
men: das Erwachsen-Sein-Wollen einer-
gung« hat 2014 ein Positionspapier »Wirk-
seits und die Rebellion (gegen die Verbote
same Maßnahmen der Tabakprävention
der Erwachsenen) andererseits. Das Rau-
aus Sicht der österreichischen Suchtprä-
chen vereint diese beiden scheinbar wider-
vention« erarbeitet. Die Vision lautet
sprüchlichen Aspekte in sich.
»Nichtrauchen als Normalität«. Ziel der
Auch neugierig zu sein gehört zur Prävention müsse es sein, (1) den Einstieg
20 Wege aus der Sucht
in den Tabakkonsum zu verhindern oder identitätsstiftend für das Erwachsensein. im Rahmen der Lebenskompetenzförde-
so lange wie möglich hinausschieben, (2) Absolute Rauchverbote – auch in der Gas-
rung im Kindes- und Jugendalter sowie
Rauchende zum Ausstieg motivieren, tronomie – unterstützten die »Normalität Informations- und Sensibilisierungsmaß-
(3) Kindern und Jugendlichen das Auf-
des Nichtrauchens«, macht Rauchen weni-
nahmen: zu den negativen Folgen des
wachsen in einem rauchfreien Umfeld zu ger gesellschaftsfähig. Kinder und Jugend-
Rauchens, zu den positiven Effekten eines
ermöglichen und (4) Nichtrauchende vor liche werden durch eine rauchfreie Umge-
rauchfreien Lebens und die Stärkung des
dem Passivrauchen zu schützen.
bung nicht nur vor Passivrauch geschützt, Nichtrauchens als Norm.
In der Prävention ist die vielleicht sondern können abgehalten werden, mit
effektivste Strategie, Kinder und Jugend-
dem Rauchen zu beginnen oder dazu Für Fragen und Auskünfte über Hilfsangebote und
liche vor Erstkonsum und Raucheinstieg anregen, den Tabakkonsum zu reduzieren. Suchtprävention wenden Sie sich bitte gerne an:
zu bewahren. Im Alltag das Nichtrauchen Süchtige Raucherinnen und Raucher dür-
Dr. Dominik Batthyány
als Normalität zu etablieren und zu kom-
fen nicht diskriminiert werden, sollen aber
Leitung Prävention im Verein »Grüner Kreis«
munizieren ist dabei ein wichtiger Aspekt. jede Unterstützung für Konsumreduktion POOL7, Rudolfsplatz 9, 1010 Wien
Damit könnte die Assoziation von »Rau-
oder Rauchausstieg bekommen.
T: +43/1/5238654-15
chen« mit »Erwachsensein« oder »Cool-
Wichtige Maßnahmen der Prävention M: +43/664/8111660
sein« aufgelöst werden. Jugendliche sollen sind darüber hinaus die Weiterbildung von
wahrnehmen können: Rauchen ist nicht Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Web: http://www.gruenerkreis.at
Seite 19 erwachsene Organismus. Ers-
Beraterverträge, Einladungen zu Konfe-
keine billigere und erfolgreichere Maß-
tens entwickeln sich die kindlichen Organe
renzen und Sponsoring von Anlässen dafür
nahme zum Schutz der Gesundheit. Auch
noch. Die Möglichkeit zur Entgiftung von belohnt, dass sie sich für die Anliegen der Angestellte in der Gastronomie müssen
Schadstoffen ist noch nicht voll entwickelt.
Tabakindustrie instrumentalisieren ließen.
an ihrem Arbeitsplatz vor Tabakrauch
Außerdem macht die höhere Stoffwechsel-
Im Mai 1988 hat das österreichische geschützt werden. Spitäler müssen – wie es
rate den kindlichen Organismus anfälliger Gesundheitsministerium eine Veranstal-
Schulen schon sind- absolut rauchfrei werden.
für Schadstoffe. Kinder machen pro Zeit-
tung zum Thema Passivrauchen veranstal-
Nikotin darf nicht länger als Genuss-
einheit mehr Atemzüge und haben relativ tet. In Wahrheit war es damals die Austria sondern muss als Suchtmittel begriffen
gesehen ein höheres Atemminutenvolu-
Tabak, die federführend (allerdings verbor-
und bezeichnet werden. Raucher müssen
men. Daher atmen sie im Verhältnis zu gen) die Themen und Referenten bestimmt
als Suchtkranke betrachtet werden, die
ihrem Körpergewicht mehr giftige Subs-
hat. Kein Wunder, dass zum damaligen Hilfe benötigen. Dafür sind ausreichend
Zeitpunkt das Ausmaß der Gefährdung die
Mittel bereitzustellen und gesetzliche
Infekte der Atemwege, Asthma, Ohren-
Öffentlichkeit nicht erreichte. Hier ist der Rahmenbedingungen zu schaffen.
entzündungen mit Hörverschlechterung Einfluss der Tabakindustrie auf die Politik »We are killing people by not acting«
und in weiterer Folge Sprachentwick-
in Österreich erstmals dokumentiert. Auf-
sagte der australische Gesundheitsmi-
lungsverzögerungen gehören zu den häu-
geregt hat sich darüber bis heute niemand.
nister. Die Verschiebung des absoluten
figen durch Passivrauch mitverursachten Weil es niemanden wundert?
Rauchverbotes in der Gastronomie in
Erkrankungen im Kindesalter.
Besonders wichtig für die Tabakindus-
Österreich auf 2018 verursacht in den
Für die Suchtprävention ist es wich-
trie war es, Gastronomie-Verbände für ihre
nächsten drei Jahren hunderte vermeid-
tig, den öffentlichen Raum rauchfrei zu Anliegen zu gewinnen, Rauchverbote zu bare Todesopfer. Sie sterben nicht spekta-
machen: Eine rauchfreie Umgebung hilft, verhindern, abzuschwächen oder zu verzö-
kulär bei einem Flugzeugabsturz sondern
mit dem Rauchen aufzuhören. Daran kann
in einem Spitalzimmer oder zu Hause.
die Tabakindustrie kein Interesse haben In Österreich ist das der Tabakindust-
Kein Politiker fühlt sich dafür verantwort-
und daher schrillten dort alle Alarmglo-
rie besonders gut gelungen und das sogar lich. Kein Journalist wird darüber berichten.
cken, als in den späten 70er Jahren Hin-
ohne dafür – wie mir von der Wirtschafts-
Eine große Schande!
weise auftauchten, dass der Raucher nicht kammer versichert wurde – Funktionäre
nur sich selber schädigt, sondern auch den »kaufen« zu müssen. Respekt!
Nichtraucher, der neben ihm arbeitet oder Weniger Respekt verdienen jene, die Dkfz Heidelberg, Ärzteinitiative, Robert Koch
im Restaurant gemütlich isst und trinkt.
Argumente der Tabakindustrie ungeprüft
Institut, Centers for Disease Control and Pre-
In Aufsehen erregenden Prozessen übernommen haben, die in anderen Län-
vention, Unabhängige Pharmainformation Inns-
wurde die Tabakindustrie in den USA vor dern schon lange widerlegt wurden.
vielen Jahren dazu verurteilt, geheime Während Herr Hinterleitner, Obmann
Dokumente öffentlich zu machen. Diese des Fachverbandes Gastronomie in der Dr. Reinhard Kürsten
sollten uns eigentlich eindrucksvoller als Wirtschaftskammer, immer wieder angeb-
Facharzt für HNO
alle »Gesundheits-Argumente« vor Augen liche Umsatzverluste in Irland als abschre-
Autor der ersten Aufklärungs-Broschüre der
führen, mit welcher Skrupellosigkeit ckendes Beispiel für Rauchverbote in Krebshilfe zum Thema Passivrauchen (2006)
die dort tätigen Manager seit Jahrzehn-
Österreich zitiert, sagt der Präsident der Ich möchte diesen Artikel dem Journalisten Kurt
ten die Öffentlichkeit belügen. Wissen-
irischen Wirtevereinigung VFI, Gerry Kuch widmen, der seinen Kampf gegen den durch
schaftler wurden bezahlt, um genehme Rafter »Wir wollen die Raucher nicht im Rauchen verursachten Krebs verloren hat, aber
Studienergebnisse zur Unschädlichkeit Pub zurückhaben«.
wesentlich dazu beigetragen hat, dass Österreich
von Passivrauch zu fälschen, Politiker Rauchverbote helfen Nichtrauchern – wenn auch verspätet – 2018 ein Gesetz erhält,
und Journalisten wurden durch Aufträge, und Rauchern gleichermaßen. Es gibt das Nichtraucher und Raucher schützen wird.
Wege aus der Sucht 21
Der »Marlboro Man« als »Edler Wilder«
des 20. Jahrhunderts
Der »Edle Wilde« existiert, seitdem hineinpasste, in seinen Erzählungen und Bil-
die Europäer die überseeische Welt
dern auszublenden (Zacharias 1998: 232 ff.).
zu entdecken begannen. Im 15. Jahr-
Die wichtigste Figur in den Bildern von
hundert war dies der Fall, als Kolumbus Gauguin war Eva, da eine Welt ohne Eva
Amerika entdeckte und die wohlgeformten
für ihn alles andere als ein Paradies war.
Körper der Bewohner beschrieb, die in einer
Die idealisierte Eva wurde für ihn eine ein-
mit dem Paradies vergleichbaren Welt leb-
heimische Südseeinsulanerin. Er schuf die
ten. Eine Wiederbelebung und stärkere Vorstellung, dass nur Menschen, die von
Aufmerksamkeit erhielt der »Edle Wilde« der Zivilisation unberührt geblieben sind,
im 18. Jahrhundert durch die Entdeckung im Einklang mit der Natur leben können
der Südsee. Die europäischen Entde-
(Kostenewitsch 1998: 70).
ckungsfahrer waren begeistert von der Na-
Die Bilder von Paul Gauguin stießen in
tur und den schönen Körpern der Inselbe-
Europa auf großes Interesse und seine An-
von Philippa Rudnay
wohner. Durch ihre Reisebeschreibungen sichten der SüdseebewohnerInnen wurden
verbreitete sich in Europa die Vorstellung in Europa übernommen.
einer glückseligen, im Einklang mit der Na-
Den »Edlen Wilden« gibt es bereits
tur lebenden Bevölkerung (Kohl 1981: 31).
Das Leben der »Edlen Wilden«, welches
mehrere Jahrhunderte, wobei die Vor-
Ein weiteres Beispiel für eine Projektion
frei von Neid und Eifersucht ist, wird unter
stellung von ihm auf unterschiedliche
des »Edlen Wilden« stammt von Leni Rie-
anderem auf die Unkenntnis des Privatei-
fenstahl. Ihre Freundschaft mit Adolf Hitler,
gentums zurückgeführt. Die Entdeckungs-
Bereiche angewendet werden kann
ihre Filme über das nationalsozialistische
fahrer konnten keine Besitzunterschiede Regime sowie die Vorwürfe gegen sie nach
feststellen und nahmen an, dass es somit dem zweiten Weltkrieg verhalfen Riefen-
auch nicht zu einer Herausbildung von stahl zu einem hohen Bekanntheitsgrad
hierarchischen Herrschaftsstrukturen (Strohmeyr 2012: 261 ff.). 1962 reiste Rie-
kommen kann. In der europäischen Welt fenstahl in den Sudan, um dort die Ethnie
wurden Besitzunterschiede hingegen als der Nuba fotografisch zu dokumentieren,
Ursprung aller Missstände gesehen (Kohl von deren Aussehen sie von Beginn an
begeistert war (Riefenstahl 1990: 7). »Der
Die westliche Bevölkerung schuf den Umstand, dass noch keine größere Straße
»Edlen Wilden«, der das repräsentiert, was durch ihr Gebiet führte, hat zweifellos dazu
man gerne wäre und das, was man viel eicht
beigetragen, dass sie fast ohne Kontakt mit
einmal war, aber wahrscheinlich nie wieder
der Außenwelt ihr naturverbundenes Le-
werden kann. Auch wenn sich die Bevölke-
ben ungestört führen konnten.« (Riefen-
rung der westlichen Welt darüber bewusst
ist, nie mehr ein Leben wie jenes der »Ed-
Als Riefenstahl 1968 erneut zu den
len Wilden« führen zu können, wird er auf-
Nuba reiste, hatte sich einiges verändert.
grund seiner Exotisierung zur Projektions-
»Die nicht aufzuhaltende Zivilisation wird
fläche von Wunschträumen.
in naher Zukunft auch die Nuba erfassen
Beispiele für den »Edlen Wilden« lassen und sie umformen. Ich hatte das Glück, sie
sich in den verschiedensten Bereichen noch in ihrer ursprünglichen Lebenswei-
se kennenzulernen und diese in Bildern,
Film- und Tonaufnahmen festzuhalten.
Paul Gauguin
Es war ein Einblick in ein bald verlorenes
Der französische Maler Paul Gauguin Paradies.« (Riefenstahl 1990: 31) Durch
träumte stets von einem Leben ohne Sor-
Riefenstahl‘s Bildbände bekamen die Nuba
gen um Geld und fern von der Zivilisation.
internationale Aufmerksamkeit und wur-
1891 entschied er sich, nach Tahiti auszu-
den in der westlichen Welt als ästhetisches
wandern, welches er mehrmals als Para-
Naturvolk, ohne jegliche Missstände und
dies für jeden Europäer bezeichnete. Als Verpflichtungen angesehen (Strohmeyr
er ankam, war er schockiert von der bereits
durchgeführten Europäisierung, klammerte
sich jedoch umso fester an die Illusion des Die Massai
paradiesischen Urzustandes. Er begann das,
Auch die Ethnie der Massai ist ein
was nicht in seine Paradiesvorstellungen Beispiel für den »Edlen Wilden«. Die
22 Wege aus der Sucht
Bevölkerungsgruppe aus Ostafrika wird Auf den Werbeplakaten und in den Wer-
Ob die westliche Bevölkerung jedoch
weltweit als eine durchhaltestarke, mutige
bespots wurden viele einschlägige Symbo-
wirklich so sein will wie der »Marlboro
und stolze Gesellschaft angesehen (Olson le verwendet. Mit der Figur des Cowboys Man« , ist fraglich. Schließlich verstarben
wird Stärke, Freiheit und Unabhängigkeit, viele der Darsteller an Lungenkrankheiten,
Bereits Ernest Hemingway schrieb gleichzeitig aber auch Naturverbundenheit
die auf ihren starken Tabakkonsum zurück-
1964 (138 f.): »Dies waren die größten, best-
assoziiert. Er ist keinerlei Verpflichtungen geführt werden können (vgl. Dyer 2014: URL).
gewachsenen, prächtigsten Men-
schen, die ich je gesehen hatte und
die ersten wirklich fröhlichen, glück-
lichen Menschen, die ich in Afrika
Dyer, John (30.01.2014): Dem Marl-
gesehen hatte […].«
boro-Mann ging die Luft aus. In: Neu-
Die Biographie »Die weiße Mas-
es Deutschland. URL: http://www.
sai« von Corinne Hofmann greift
solche Beschreibungen auf und es
entsteht ein Mythos, der sich immer
html?sstr=marlboro man [Zugriff am
wieder erneuert. Als sie bei ihrer
ersten Keniareise 1986 den Massai
Farin, Tim (o.J.): Marlboro-Mann: Werbe-
Lketinga traf, verliebte sie sich au-
Ikonen müssen nicht leben. URL: http://
genblicklich. Sie zog in ein Massai-
Dorf, heiratete ihn und bekam eine
Tochter von ihm. Ende 1990 ging sie
ben-598243.html [Zugriff am 31.03.2015]
nach dem Scheitern der Ehe zurück
Hemingway, Ernest (1964): Die grünen
in die Schweiz und begann, ihre Er-
Hügel Afrikas. Reinbek bei Hamburg.
fahrungen in Kenia niederzuschrei-
Hofmann, Corinne (2000): Die weiße
ben (Maurer 2010: 77 ff.).
Massai. München: Knaur Taschenbuch
Als sie von ihrem damaligen
Freund auf einen Massai aufmerk-
Kohl, Karl-Heinz (1981): Entzauberter
sam gemacht wird, beschreibt sie
Blick. Das Bild vom Guten Wilden und die
ihre Erfahrungen folgendermaßen:
Erfahrung der Zivilisation. Berlin: Medusa.
»Es trifft mich wie ein Blitzschlag.
Kostenewitsch, Albert (1998): Eva im ta-
Da sitzt ein langer, tiefbrauner, sehr
hitianischen Paradies. In: Költzsch, Georg-
schöner, exotischer Mann […] und
W. (1998): Paul Gauguin, das verlorene
schaut uns, die einzigen Weißen in diesem
ausgesetzt und reitet, natürlich stets mit Paradies., Köln: Dumont. 70- 85.
Gewühl, mit dunklen Augen an. Mein Gott,
einer Zigarette im Mund, durch die natur-
Krause, Isabel (2013): Mythen in der Markenfüh-
denke ich, ist der schön, so etwas habe ich belassenen Wälder und Berge von »Marl-
rung: Entwicklung eines semiotischen Analysemo-
noch nie gesehen. Er ist nur mit einem kur-
boro Country«- dem idealtypischen Amerika. dells für Markenmythen am Beispiel des Marlboro-
zen, roten Hüfttuch bekleidet, dafür aber Umgeben von der wilden, unberührten Cowboys. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH.
reich geschmückt. […] Sein Gesicht ist so Natur war er an keine Regeln gebunden Maurer, Elke Regina (2010): Fremdes im Blick, am
ebenmäßig schön, dass man fast meinen oder durch sonstige Missstände der indus-
Ort des Eigenen. Eine Rezeptionsanalyse von »Die
könnte, es sei das einer Frau. Aber die Hal-
trialisierten Welt beeinflusst (vgl. Farin: weiße Massai«. Freiburg: Centaurus-Verlag.
tung, der stolze Blick und der sehnige Mus-
URL). Er verkörpert den Archetypus des Olson, James S. (1996): The Peoples of Africa. An
kelbau verraten, dass er ein Mann ist. Ich Naturburschen, indem er unabhängig, frei Ethnohistorical Dictionary. Westport, Connecti-
kann den Blick nicht mehr abwenden. So, und naturverbunden sein Land und seine cut; London: Greenwood Press.
wie er dasitzt in der untergehenden Sonne,
Herde pflegt, jedoch gleichzeitig unnahbar,
Riefenstahl, Leni (1990): Die Nuba – Menschen
sieht er wie ein junger Gott aus.« (Hofmann
wildromantisch und unverstellt ist. Ein wie von einem anderen Stern. Frankfurt; Berlin:
Mann, der diese Eigenschaften vereinen Ullstein.
kann, stellt wahrscheinlich in den Augen Strohmeyr, Armin (2012): Abenteuer reisender
Der »Marlboro Man« als »Edler Wilder« des
vieler Frauen ein Idealbild dar (vgl. Krause Frauen. 15 Porträts. München: Piper.
Zacharias, Kyllikki (1998): Paul Gauguin. Bio-
Der »Marlboro Man« gilt als eine der am
Die Symbole, die die Marke Marlboro in
graphie. In: In: Költzsch, Georg-W. (1998): Paul
längsten eingesetzten Werbeikonen der ihrer Werbekampagne anwendete, erinnern
Gauguin, das verlorene Paradies., Köln: Dumont.
Welt. Es ist nicht lange her, dass der Cow-
stark an die Vision des »Edlen Wilden«. Der 216-239.
boy in lässiger Kleidung, mit dem tief ins »Marlboro Man« wurde als mutig und na-
Gesicht gezogenen Hut und mit Zigarette turverbunden empfunden und viele benei-
Mag.a Philippa Rudnay
im Mund auf Plakaten und in Werbespots deten ihn um seine individuel e und freie Leitung POOL7- Genuss-Shop und Galerie des
Position. Ein wichtiger Faktor ist der Mythos,
Vereins Grüner Kreis
Auf der Suche nach dem maskulinsten der ihn umgibt. Er ist ungreifbar, eine Phan-
Diplomstudium der Internationalen Entwicklung,
Symbol wurde 1954 durch Leo Burnett und
tasievorstel ung und die Werte, die er ver-
Hauptuniversität Wien
sein Team der weltweit bekannte Cowboy körpert, haben eine große Bedeutung für die
Diplomarbeit: Das europäische Bild vom »Edlen
geschaffen, welcher bis 1999 als Marken-
Menschheit. Durch die Schaffung von »Marl-
Wilden« im 18. und 20. Jh.
zeichen für die Zigaretten vom Hersteller boro Country« wurde das Paradies für den Bachelorstudium Kultur- und Sozialanthropologie,
Philip Morris fungierte (vgl. Farin: URL).
darin lebenden »Edlen Wilden« geschaffen.
Hauptuniversität Wien
Wege aus der Sucht 23
(Nicht-)Raucherschutz in Europa
Empfehlungen, Möglichkeiten und Realität
Beitrag aus der Monatsschrift Kinderheilkunde
Als Hauptgrund für die mangelnde
2013 · 161:782–785
Umsetzung wird einerseits der fehlende
politische Wille angesehen (Beispiel
Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
Luxemburg), teilweise auch die fehlende
Britton J, Bogdanovica I (2013) Tobacco control
Compliance der Bevölkerung (Beispiel
efforts in Europe. Lancet 381:1588–1595
O. Bodamer (Miami), J. Freihorst (Aalen),
Warnung vor Tabakgenuss
R. Kerbl (Leoben), G. Krandick (Oberhaching)
In Artikel 11 der FCTC wird die Kombi-
nation von Text- und Bildwarnungen auf
Zigarettenpackungen gefordert, diese soll-
ten zumindest 30 %, bevorzugt 50 % der
von Reinhold Kerbl
Die Geschichte des Tabakkonsums
in Europa beginnt mit Christo-
pher Columbus, der bei einer Packungsoberfläche einnehmen. Im Jahr
Ankunft in der sog. Neuen Welt Tabakblät-
2012 wurde dieser Flächenanteil durch
ter als Geschenk erhielt. Zigaretten wur-
2004 untersagte Irland als erstes
eine EU-Direktive auf 75% angehoben. Des
den in Europa ab etwa 1840 verkauft, als Weiteren wird empfohlen, den Andruck
erstes von Philip Morris in London. Eng-
Land das Rauchen in geschlossenen
der Zigarettenmarke (z.B. Marlboro) auf
land war auch das Land, in dem der Ziga-
Arbeitsräumen. Europaweit bestehen
der Packung stark zu beschränken und
rettenkonsum zwischen 1940 und 1960 stattdessen (wie in Australien) sog. Stan-
als erstes seinen Höhepunkt erreichte. Im
jedoch große Unterschiede in den
dardpackungen zu verwenden. Daneben
Gegensatz dazu war dies z.B. in Russland
Bemühungen, vor der sog. »Passiven
wird angeregt, Massenmedien (insbeson-
erst in den 1990er Jahren der Fall. Für Grie-
dere das Fernsehen) für Warnungen zu
chenland, Österreich, Spanien, Bulgarien
Nikotinbelastung« zu schützen,
nutzen. Auch in diesem Punkt folgen viele
und Litauen wird der Höhepunkt erst im
obwohl deren schädigende Auswir-
Länder den Empfehlungen nur in beschei-
letzten Jahrzehnt angenommen. Man rech-
denem Umfang, bezüglich des Medienein-
net in der Europäischen Union (EU) mit
kungen u. a. auf Schwangere und
satzes setzen diesen nur 9 europäische
120 Mio. Rauchern, was 28 % der Erwach-
Kinder vielfach dokumentiert sind.
senenpopulation entspricht. Jahr für Jahr
sterben 650.000 Menschen an den Folgen Werbeverbot und Erhöhung der Steuern
des Rauchens.
1989 wurde EU-weit Fernsehwerbung für
Als Gegenmaßnahme erließ die World Zigaretten verboten, 2003 durch eine EU-
Health Organization (WHO) im Jahr 2003 Direktive auch Werbung in Printmedien,
die »Framework Convention on Tobacco im Radio und im Internet untersagt. 2005
Control« (FCTC). Diese wurde von vielen wurde zudem die Werbung bei Sport-
Staaten unterzeichnet, Realität aber groß-
veranstaltungen und Sponsorship (z. B.
teils nicht oder nur unvollständig umge-
Formel-1-Autorennen) eingeschränkt.
Trotzdem ist z. B. PhilipMorris als Herstel-
ler von Marlboro weiterhin Hauptsponsor
Studie: Schutz vor Rauchbelastung
bei Ferrari. Preiserhöhungen bzw. hohe-
2004 untersagte Irland als erstes Land das Abgaben werden als sehr wirksame Maß-
Rauchen in geschlossenen Arbeitsräumen.
nahme zur Einschränkung des Nikotinge-
Europaweit bestehen jedoch große Unter-
nusses angesehen. Man rechnet, dass eine
schiede in den Bemühungen, vor der sog. Preiserhöhung um 10 % den Konsum um
Passiven Nikotinbelastung zu schützen, 4 % reduziert, den Raucheranteil um 2 %.
obwohl deren schädigende Auswirkungen Die Wirkung auf Jugendliche wird beson-
u. a. auf Schwangere und Kinder vielfach ders hoch eingeschätzt. Dabei wird aller-
dokumentiert sind.
dings gewarnt, dass im Fall von massiven
24 Wege aus der Sucht
Preiserhöhungen viele Raucher auf billi-
»Smoking kills more Europeans
gere Marken und selbst gedrehte Zigaret-
than any other avoidable factor, and Die Autoren belegen den EU-weit großteils
ten ausweichen könnten.
prevention is achievable. All that is
unbefriedigenden Nichtraucherschutz, der
insbesondere für Kinder und Jugendliche
needed is political will«
negative Auswirkungen auf deren Gesund-
Sie zielen darauf ab, Nikotin in quasi harm-
heitsentwicklung hat und darüber hinaus
loserer Form anzubieten. Paradebeispiel
einen enormen ökonomischen Schaden
dafür ist die in Schweden gängige Methode
bedingt. Neben den Interessen der Tabak-
von »Snus«, welches als oral appliziertes Medien würden sich daher v. a. auch auf industrie, fehlender Compliance und Kor-
und über die Schleimhaut resorbiertes Jugendliche positiv auswirken. Sinnvoll ruption (die Raucherprävalenz korreliert
Nikotinpräparat Verwendung findet. Es wären auch Rauchverbote an öffentlichen direkt mit der Korruption im öffentlichen
trägt wesentlich dazu bei, dass Schweden Plätzen, in Lokalen und ein Heraufsetzen Sektor!) scheinen v. a. das mangelnde Inte-
EU-weit die niedrigste Raucherprävalenz des Mindestalters. Leider irren die Auto-
resse oder die individuelle Schwäche der
hat. In anderen EU-Ländern ist »Snus« ren mit ihrer Einschätzung »All European politisch für die Gesundheit Verantwort-
countries now prohibit sale or distribu-
lichen hierfür verantwortlich zu sein. Die
Eine andere Möglichkeit sind elekt-
tion of tobacco to people younger than 18 Autoren beschließen ihren Beitrag mit fol-
ronische Zigaretten. Durch ein inhalati-
gendem Statement:
onsabhängiges LED-Licht (LED: »light-
»Smoking kills more Europeans than any
emitting diode«) an der Zigarettenspitze Schlechte Bewertung für Deutschland und other avoidable factor, and prevention is
wird das Glimmen einer echten Zigarette Österreich
achievable. All that is needed is political
simuliert, mundnah wird flüssiges Niko-
Die Autoren präsentieren in ihrer Publi-
tin durch ein Thermoelement zu Dampf kation auch eine Bewertung 31 europäi-
umgewandelt und bei jedem Zug einge-
scher Länder, die von der »Association of Prim. Univ.Prof. Dr. Reinhold Kerbl
atmet. Die Akzeptanz dieser Alternative European Cancer Leagues« vorgenom-
ist Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und
ist allerdings bisher eher gering, EU-weit men wurde. In dieser Tabelle werden in 6 Vorstand der Abteilung für Kinder und Jugendliche
testeten nur etwa 7 % aller Raucher diesen Kategorien (Preis, Rauchverbot im öffent-
am LKH Hochsteiermark in Leoben. Er ist Autor
lichen Bereich, Informationskampagnen, zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen und
Werbeverbote, Gesundheitswarnungen, mehrerer Fachbücher sowie Herausgeber zweier
Schutz für Jugendliche
Behandlung) Punkte vergeben, ein höhe-
pädiatrischer Zeitschriften. Von 2012 bis 2014
Die Autoren weisen darauf hin dass die rer Gesamtscore bedeutet besseren Nicht-
war er Präsident der Österreichischen Gesell-
Prävalenz des Rauchens unter Jugend-
raucherschutz. In dieser Liste führt Groß-
schaft für Kinder- und Jugendheilkunde (ÖGKJ),
lichen stark vom Vorbild der Erwachse-
britannien vor Irland und Norwegen, die weiters ist er Stv. Obmann des Vereins »Politische
nen und der Darstellung in den Medien Schweiz liegt auf Platz 11. Deutschland fin-
Kindermedizin«. Neben anderen Bereichen der
abhängt. Maßnahmen zur Reduktion des det sich auf Platz 26 und somit im hinteren
Kindermedizin arbeitet er insbesondere auch im
allgemeinen Rauchkonsums und strenge Drittel. Österreich teilt sich mit Griechen-
Bereich der Prävention für Kinder und Jugendliche.
Bestimmungen zur Darstellung in den land den 30. und letzten Platz!
Wege aus der Sucht 25
Ich habe mit dem Rauchen in der Hauptschule angefangen. So mit etwa
13 oder 14 Jahren habe ich ab und zu mal gepafft. Mein damals bester
Freund hatte eine schwere Abneigung gegen das Rauchen. Ich glaube,
das hat ihm sein Vater eingetrichtert, der beim Bundesheer war.
Lange hat es mich auch nicht interessiert. Einmal hörte ich, dass
zwei andere Klassenkammeraden heimlich im Park rauchten. Da ich
nicht wusste, ob das stimmte, wurde ich neugierig. Also schaute ich -
eines Tages nach dem Unterricht zu dem Park, der nicht weit von der
Schule entfernt war. Da waren die beiden und pafften ganz auf cool.
Also doch! Sie sind auf der Parkbank gesessen und qualmten Memphis.
Ich war schon etwas überrascht, aber auch neugierig, wie wohl eine
Zigarette schmeckt. Meine beiden Freunde hatten schon mehrere Ziga
retten gepafft. Ich wollte es auch unbedingt rausfinden, vielleicht
auch so cool und lässig wie die beiden und die Erwachsenen sein. Der
Geschmack der ersten Zigarette war zwar nicht so, wie ich es mir
vorstellte, doch das Gefühl danach war angenehm. Ich fühlte mich
erwachsen - aber noch ohne »Brustzug«. Noch nicht! Schwindlig war
mir schon, doch es fühlte sich gut an. Danach habe ich öfter mit
einem Freund, der in meiner Siedlung wohnte, gepafft. Er klaute
seiner Mutter öfters ein paar Zigaretten. Wir gingen zu einer Brücke,
wo ein kleiner Bach war. Genau dort machte ich meinen ersten richti
gen »Brustzug«. Ich musste husten, doch das war nun echtes Rauchen.
Von da an rauchte ich regelmäßig, wenn es sich mit dem Geld ausging.
Als ich eines Tages am Abend fortgehen wollte, legte ich eine
Schachtel Zigaretten auf den Küchentisch. Während ich im Badezimmer
war, hörte ich meine Eltern die Wohnungstür aufsperren. Es ließ sich
nicht mehr verhindern, dass meine Eltern die Zigaretten am Tisch
liegen sahen. Oh Mann, auch das noch! Ich glaube, damals wie heute
finden es junge Leute cool, zu rauchen, egal wie alt sie sind. Ver
bieten kann man es ja sowieso nicht, sonst wird eben heimlich
geraucht. Ich wurde schon oft angeschnorrt, aber von mir bekommt
jedenfalls kein Kind eine Zigarette. Schon ein paarmal habe ich
versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Ich bin sogar zu einem
»Nichtraucher-Seminar« gegangen. Das hat aber nichts gebracht. Mir
ist klar, dass man eigentlich viel Geld für ein stinkendes unnötiges
Laster bezahlt. Doch die Sucht ist eben viel stärker. Aber ich weiß,
ich will und werde einmal NICHTRAUCHER sein. Doch eines nach dem
anderen. Vor allem der Zeitpunkt zum Aufhören muss stimmen. Es hat
so viele positive Aspekte, mit dem Rauchen aufzuhören.
Ich will frei sein - frei durchatmen!
Markus M., Johnsdorf
26 Wege aus der S
KlientInnen berichten über ihr Leben mit der Sucht.
Rauchen kann tödlich sein
… es verengt die Gefäße, ist krebsfördernd und belastet vor allem
Lunge und Herz. Abgesehen davon ist es noch teuer. Ich möchte gar
nicht hochrechnen, wie viel Geld ich schon für Tabak ausgegeben habe.
Obwohl dies allgemein bekannt ist, wird in allen gesellschaftlichen
Schichten stark geraucht. Da fragt man sich dann doch, ob es mögli
cherweise Vorteile gibt, die diese Nachteile ausgleichen. Aus eige
ner Erfahrung weiß ich, dass Rauchen einen positiven, kommunikativen
Effekt hat. In der Rauchpause am Arbeitsplatz lernt man seine Kolle
gen besser kennen und bespricht auch oft wichtige arbeitsbezogene
Themen. Auch Nichtraucher zieht es daher oft zum Raucherplatz. Die
Zigarette dient auch als Lückenfüller gegen Langeweile, mildert oft
Stress und wirkt bei Müdigkeit aufputschend. Diese positiven Aspekte -
sind in Hinsicht auf die Negativen kaum erwähnenswert. Ganz schlimm
und kaum erträglich finde ich es, Eltern mit Babys oder Kleinkindern
in stark verrauchten Räumen zu sehen. Solche Situationen habe ich
bei meiner Tochter immer strikt vermieden. Im Haus oder in der Woh
nung muss wirklich nicht geraucht werden. Anders sehe ich das in
Cafés oder Lokalen. Ein generelles Rauchverbot an solchen Orten finde
ich nicht gerechtfertigt, es sollte vielmehr dem/der WirtIn oder
BetreiberIn vorbehalten sein, selbst zu entscheiden, ob und wo in
einem Lokal geraucht werden darf.
Mein Vater hat im Urlaub ab und zu einen Zigarillo geraucht und ich
wollte unbedingt immer kosten. Eines Tages gab er mir eine dicke
Zigarre, in der Hoffnung, dass mir nach den ersten Zügen gleich
schlecht wird und ich damit in Zukunft die Finger davon lasse. Das
hat dann vorerst auch tatsächlich geklappt. Im Alter von 12 Jahren
wollte ich dann auch so cool sein wie meine Freunde, was mich zur
ersten Zigarette führte. Ich denke, dass Gruppenzwang der wohl häu
figste Grund ist, mit dem Rauchen zu beginnen.
Ich habe beobachtet, dass Leute die nach anderen legalen oder ille
galen Substanzen süchtig sind, auch in den meisten Fällen Zigaretten
rauchen. Vielleicht schaffe auch ich es einmal, dieser Sucht zu
entsagen. Derzeit bin ich noch zu beschäftigt damit, anderen Süchten -
beizukommen. Wenigstens kommt durch viel Sport langsam meine Kondi
tion wieder auf Vordermann. In diesem Sinne wünsche ich mir und all
jenen, die irgendwann beschließen, mit dem Rauchen aufzuhören, alles -
Gute und das wir es auch schaffen mögen.
Christopher D., Johnsdorf
Rauchen in der Gastronomie
Seit 2009 gilt in …… das folgende Gesetz Gastronomie noch vor dem Sommer an, aus
zum Schutz vor Schäden durch Rau-
Kammerkreisen kann man aber schon hö-
chen. Raten Sie um welches Land es ren, wie relativ laut über die Liste der Aus-
nahmen nachgedacht wird. Den Ersatz der
angeblich in Rauchbereichsabtrennungen
• komplettes Verbot jeglicher Art von
investierten +/- 100 Mio. Euro will man sich
Tabakwerbung und -sponsoring
naturgemäß sparen, sie würden in Form
• Gefahrenhinweise auf Tabak- bzw.
von vorzeitigen Abschreibungen kompen-
Zigarettenpackungen
siert werden, so Mitterlehner, was natürlich
• Dreifache Gefahren- und Rauchverbots-
kein Kostenersatz, sondern lediglich ein
hinweise vor allen öffentlich zugäng-
Aufschub für die Ertragsteuern wäre – alles
lichen Einrichtungen (Restaurants,
in allem schwammig wie gehabt.
Bars, Geschäfte, Einkaufszentren etc.)
Wie es aussieht, wird es also ein totales
von Heinz Kammerer
• Verkauf an und Konsum durch unter
Rauchverbot in der Gastronomie geben,
18-jährige verboten
jedoch mit der Ausnahme, dass alles so
• Verbot von Zigarettenautomaten
Es ist eigentlich alles verboten, aber
bleibt, wie es ist – zumindest bis 1.1.2018.
• Tabakkonsum ist an allen öffentlichen
Man hofft offenbar, dass bis dahin alle In-
Plätzen sowie im Umkreis von drei
dann doch wieder irgendwie erlaubt.
vestitionen abgeschrieben sind und die
Metern vor Fenstern, Türen und Venti-
Registrierkassenpflicht die Steuerleistung
lationseinlässen strengstens verboten
der Wirte derartig erhöht, dass man sich die
• Verbot von Tabakkonsum auch an
Ablöse für die neuen Umbauer – es eröffnen
öffentlichen Außenplätzen, sofern der
ja ständig neue Lokale, die wieder Raucher-
Minister dieses anordnet
bereiche einrichten müssen, wenn sie über-
leben wollen – jedenfalls leisten kann.
Strafen: Je nach Verstoß können diese mit Der Gesundheitsaspekt bleibt da – wie
Geldstrafen bis zu 4.000 oder 200.000 und schon seit der Einführung des unseligen
Gefängnisstrafen von bis zu einem bezie-
Tabakgesetzes – vollständig auf der Stre-
hungsweise zehn Jahren geahndet werden.
cke: Nach wie vor und dann insgesamt für
10 Jahre, werden sich die Raucher inklu-
Falsch geraten, denn ich nehme nicht an, sive Ihrer nichtrauchenden Entourage in
dass irgendjemand Namibia auf der Rech-
schlecht entlüfteten, kleinen Raucherhöh-
nung hatte. Dieses Gesetz geht vielleicht et-
len drängen, wo jeder Anwesende, insbe-
was zu weit, insbesondere bei den Strafen, sondere aber das bedauernswerte Personal,
aber über einen Mangel an Klarheit kann außer der eigenen »Rauchleistung« pro
man sich nicht beschweren.
Stunde noch eine Zigarette passiv mitrau-
Im Gegensatz dazu, als anderes Extrem
sozusagen, das verantwortungslose, weil Über die Anzahl der solcherart produ-
schwammige österreichische »Gesetz«, das
zierten Lungenkrebstoten streiten sich die
alles Mögliche vermittelt nur keine Klar-
Experten noch, es werden aber sicher un-
heit: Es ist eigentlich alles verboten, aber endlich viele mehr sein als in Namibia im
dann doch wieder irgendwie erlaubt, die Süden Afrikas.
Kontrolle beschränkt sich auf die Anzeigen
(= Vernaderung) privater Rauchersheriffs,
denen man aber als Wirt Lokalverbot ertei-
len kann und so weiter und so fort.
ist Gründer und Eigentümer der Fachhandels-
Jetzt kündigt der Vizekanzler voll-
kette Wein & Co und Betreiber von sieben Bars
mundig ein absolutes Rauchverbot in der und Restaurants
28 Wege aus der Sucht
15. EFTC Kongress der
Der Kongress der European Federa- durch das Leben in der Therapeutischen
tion of Therapeutic Communities Gemeinschaft den Weg in ein abstinentes
(EFTC) fand dieses Mal im maleri-
Leben geschafft und begegnen einem auf
schen Malaga statt. Der Verein Grüner Kreis
internationalen Zusammenkünften oft in
ist seit vielen Jahren Mitglied der EFTC. einer neuen Funktion als BetreuerIn für
Somit ergab sich auch dieses Jahr wieder aktuelle KlientInnen wieder. Charakteris-
reichlich Gelegenheit, alte Bekannte zu tref-
tisch bleibt neben dem betont herzlichen
fen bzw. neue Kontakte zu knüpfen. Insge-
Umgang miteinander auch das völlige Feh-
samt fanden sich TeilnehmerInnen aus der len von alkoholischen Getränken – denn die
ganzen Welt beim Kongress ein, die sich in Therapeutische Gemeinschaft bekennt sich
irgendeiner Weise dem Anliegen der Thera-
nach wie vor zur völligen Abstinenz (im
peutischen Gemeinschaft verbunden fühlen. Unterschied zum kontrollierten Konsum)
Die Therapeutische Gemeinschaft zeichnet
sich in ihren Grundkonzepten vor allem Das Konzept Therapeutische Gemein-
von Human-Friedrich Unterrainer
dadurch aus, dass es zu einem Miteinan-
schaft hat sich mittlerweile seit über 50
der von KlientInnen und TherapeutInnen Jahren etabliert (erste Vorläufer gab es
kommt und versteht sich somit als alter-
allerdings schon im 19. Jahrhundert), wobei
Viele KlientInnen haben durch
natives Behandlungsmodell zum klassi-
bei solchen Zusammenkünften auch noch
das Leben in der Therapeutischen
schen Psychiatriebetrieb. Das theoretische einige wenige Pioniere der ersten Stunde
Grundkonzept wurzelt dabei in der Psycho-
anzutreffen sind. Erfreulicher Weise waren
Gemeinschaft den Weg in ein
analyse, als auch in frühen Konzepten der auf diesem Kongress aber auch sehr viele
abstinentes Leben geschafft und
Sozialpsychologie. Klassischer Weise bietet
junge Menschen vertreten, was als Indiz
die Therapeutische Gemeinschaft Hilfe bei dafür gelten darf, dass das Konzept Thera-
begegnen einem auf internationalen
allen möglichen Suchterkrankungen, aller-
peutische Gemeinschaft nicht aus der Mode Zusammenkünften oft in einer neuen
dings finden sich auf internationaler Ebene
gekommen ist. Auch scheint man wirklich
auch immer wieder Behandlungsmodelle bemüht, die Entwicklung innerhalb des
Funktion als BetreuerIn für aktuelle
für andere psychiatrische Erkrankungen eigenen Systems voran zu treiben – somit
KlientInnen wieder.
(bekannt sind zum Beispiel Therapeutische
hat die forschungsbasierte Behandlung
Gemeinschaften für psychotische PatientIn-
auch in der therapeutischen Gemeinschaft
nen in England).
mittlerweile einen fixen Stellenwert. Dem-
Des Weiteren bedeutet Therapeutische
entsprechend wurde eine Vielzahl von
Gemeinschaft auch die Überzeugung zu spannenden Forschungsergebnissen prä-
haben, dass Veränderung Zeit braucht. Diese
sentiert, wobei qualitativ (z. B. freie Inter-
Überzeugung stellt ein klares Bekenntnis views) als auch quantitativ orientierter
zur Drogenlangzeittherapie und zur mög-
(z. B. Fragebögen) Forschung ein gleich
lichen Nachreifung der Persönlichkeit im hoher Stellenwert zukommt. Auch in der
familiären Umfeld dar. Dem »In Beziehung Forschung zeigt sich die therapeutische
gehen« kommt dabei ein ganz besonders Gemeinschaft einer ganzheitlichen (holisti-
hoher Stellenwert zu. Suchterkrankungen schen) Sichtweise des Menschen verpflich-
gehen ja oft mit zunehmender Vereinsa-
tet – damit wird versucht, Veränderung auf
mung und Isolation einher. Im familiären allen Ebenen der menschlichen Existenz
Miteinander der Therapeutischen Gemein-
abzubilden. Insgesamt stellen die Zusam-
schaft soll Beziehungsfähigkeit geübt bzw. menkünfte des EFTC eine wichtige Kon-
in manchen Fällen womöglich neu erlernt stante dar, um die internationale Vernet-
PD DDr. Human-Friedrich Unterrainer
werden. Auch darf fest gehalten werden: die
zung weiter voranzutreiben. Gemeinsame Klinischer- und Gesundheitspsychologe und
Therapeutische Gemeinschaft versteht sich als
internationale Projekte können auf einer Psychotherapeut, Leiter des Zentrums für Integ-
möglicher und nicht als der einzige Weg aus
solchen Basis einmal angedacht und später rative Suchtforschung im Verein Grüner Kreis,
der Abhängigkeit. Viele KlientInnen haben realisiert werden.
Priv.-Dozent an der Karl-Franzens-Universität Graz
Wege aus der Sucht 29
Hunger auf Kunst und Kultur
Hungrig zu sein heißt, körperlich 50 Kultis am Karlsplatz
zu fühlen, dass etwas fehlt. Man Vom 7. Mai bis 9. Juni präsentierte »Hun-
muss etwas unternehmen, um ger auf Kunst und Kultur« 50 lebensgro-
diesen Mangel zu beheben, um das Verlan-
ße Kunstfiguren am Karlsplatz vor dem
gen nach Nahrung zu stillen. Das gelingt Wien Museum. Die Figuren, die von den
nicht überall und immer. In Österreich LeserInnen der bz-Wiener Bezirkszeitung
sind rund 1 Million Menschen arm oder den Namen »Kultis« bekommen haben,
armutsgefährdet. Armut bedeutet immer wurden von sozialen und kulturellen Ein-
einen Mangel an Möglichkeiten. Wer von richtungen, KulturpassbesitzerInnen und
Armut betroffen ist, hat ein geringes Ein-
KünstlerInnen gestaltet – unter anderem
kommen, schlechte Bildungschancen, ist vom Künstlerhaus Wien, Schauspielhaus
häufiger krank und kann am gesellschaft-
Wien, WUK, ZOOM Kindermuseum, von
lichen Leben nur eingeschränkt teilneh-
Angelika Kirchschlager, Cornelius Obonya,
von Kurt Neuhold
men. Armut macht einsam. Sie grenzt aus, Doron Rabinovici und Karl Markovics.
entwürdigt den Menschen und beinhaltet
POOL7 – Kunst im Grünen Kreis beteilig-
erhebliche Gefahren für das gesellschaftliche
Hunger ist nicht nur ein unange-
te sich an der Aktion mit 2 Figuren:
Beim Kulti-Gestaltungsprojekt in der Ju-
nehmer körperlicher Reiz, sondern
Hunger ist nicht nur ein unangenehmer
gend- und Sozialhilfeeinrichtung »Wald-
körperlicher Reiz, sondern beinhaltet auch
beinhaltet auch das Verlangen nach
heimat« formulierten die jungen Männer
das Verlangen nach geistiger Nahrung, nach
in der Planungsphase ihre Gedanken zur
geistiger Nahrung, nach einer akti-
einer aktiven Teilnahme am gesellschaft-
Aktion, darauf aufbauend gestalteten sie
lichen und kulturellen Leben. Manchen
ven Teilnahme am gesellschaftlichen
gemeinsam eine eindrucksvolle Figur zu
mag der passive Konsum der elektroni-
den Themen Armut, Leid und Verteilungs-
und kulturellen Leben.
schen Medien genügen, viele jedoch, die in
gerechtigkeit. Sie verfassten dazu folgen-
prekären finanziellen Verhältnissen leben, des Statement, das Mag.a Monika Wagner,
sind an Kunst und Kultur interessiert. »Der
Geschäftsführerin der Aktion »Hunger auf
Mensch lebt nicht vom Brot allein. Er lebt Kunst und Kultur« bei ihrer Eröffnungsan-
auch von guten Beziehungen, tiefen Erfah-
sprache am Karlsplatz zitierte: »Die Figur
rungen, Auseinandersetzung und Freund-
haben wir mit etlichen Bissen versehen,
schaften. Kunst und Kultur können Überle-
um Armut und Leid darzustellen. Die Dol-
bensmittel sein, die dazu helfen, den Atem
larscheine zeigen, dass sehr viele Men-
nicht zu verlieren«, so Martin Schenk von schen hungern müssen, obwohl es so viel
der Armutskonferenz.
Geld gibt. Herz und Hirn haben wir hervor-
Der Ansatz, dass Kunst und Kultur gehoben, um zu zeigen, dass Armut, Leid
grundlegende menschliche Ausdrucksmit-
und Hunger nicht so schlimm sein müss-
tel sind und die Teilhabe am kulturellen ten und nicht notwendig wären, wenn man
Leben ein Grundrecht sein sollte, verbin-
Herz und Hirn einsetzt.«
det die Initiative »Hunger auf Kunst und Die zweite Kulti-Figur wurde von der
Kultur« mit den Intentionen von Kunst im Bildhauerin Astrid Steinbrecher und dem
Grünen Kreis. Deshalb war es mir von An-
Künstler Cosmus gestaltet. Beide leite-
fang an wichtig, an der 2003 vom Schau-
ten bereits mehrere Kunstworkshops im
spielhaus Wien (Airan Berg) in Koopera-
Verein und in ähnlichen Einrichtungen;
tion mit der Armutskonferenz initiierten beide unterstützen und schätzen die Idee
Aktion teilzunehmen und in POOL7 für die
des Kulturpasses. Ihre beidseitig gestalte-
KlientInnen des Grünen Kreises Kulturpässe
te Figur mit dem Titel: »The other side of
this« und dem Statement »Hunger auf…«
Der KULTURPASS ermöglicht Perso-
verstehen sie als Aufforderung an die Be-
nen, die nachweislich in prekären Einkom-
trachterInnen, über »Hunger - wonach
mensverhältnissen leben, den freien Zu-
und worauf?« nachzudenken. Ihre auf der
gang zu Kunst und Kultureinrichtungen. Vorder- und Rückseite unterschiedlich
In Wien beteiligen sich mittlerweile mehr gestaltete Figur reflektiert den Dualitäts-
als 200 Kulturinstitutionen, 600 in ganz Ös-
und Einheitsgedanken auf mehreren Ebe-
terreich; seit 2007 wird die Aktion von der nen – bei der Darstellung von männlichen
Stadt Wien unterstützt.
und weiblichen Symbolen, bei der Wahl
30 Wege aus der Sucht
der Farben grün und rot, bei der Bedeu-
der österreichischen Community Medien Regenbogens« nennen die KünstlerInnen
tung der Kreise und Löcher, die Durch-
aus Peru ihre Ausstellung, die wir im Som-
lässigkeit, Öffnung, aber auch Zerstörung Die Kooperation von Kunst im Grünen mer in der POOL7-Galerie präsentieren.
Kreis mit dem Campus & City Radio 94.4 Vom 25. Juni bis 4. September 2015 zeigen
Am 9. Juni wurden die 1.80 m großen besteht seit 2012. Eine frühere Sendung, wir Bilder von Berónica Delgado Sànchez,
Kunstfiguren im Wien Museum von Otto
»Drogenfrei, sei live dabei« aus der Jugend-
Leonarda Ayarza Romero de Brozovic und
Hans Ressler zu Gunsten der Aktion »Hun-
und Sozialhilfeeinrichtung »Waldheimat« Marcial Quispe-Quispe. Kuratorin der Aus-
ger auf Kunst und Kultur« versteigert.
wurde 2014 zum Radiopreis der Erwach-
stellung ist die in Cusco geborene und in
senenbildung nominiert. Eine aus 15 Mit-
Österreich lebende Malerin CAROP - Car-
Kunst im Grünen Kreis – Workshops
gliedern bestehende Jury nominierte aus 89
men Rocio Pena de Klein.
eingereichten Produktionen 23 Sendungen.
Die drei KünstlerInnen aus dem perua-
Für das Team der »Waldheimat« war es ein
nischen Hochland fühlen sich eng mit den
Radioworkshop in der »Villa« mit Anna Riesenerfolg, dass ihre Produktion für den künstlerischen Traditionen ihres Landes
Michalski und Simon Olipitz vom Campus
Preis in der Sparte Information ausgewählt
verbunden. In ihren Arbeiten reflektieren
& City Radio 94.4.
wurde. Spannend war die Preisverleihung sie die vielfältige kulturelle Vergangenheit,
im Radiokulturhaus in Wien; leider hat die
die geprägt ist von zahlreichen Mythen,
Die Klienten der Sozialhilfeeinrichtung Waldheimat-Sendung nicht gewonnen.
Kämpfen, Phantasien und einer tiefen Ver-
»Villa« in Krumbach gestalteten in einem
bundenheit mit der Natur. Stilistisch unter-
dreitägigen Radioworkshop eine knapp »Babypanne« und »Glück im Leben«
schiedlich arbeitend, möchten alle drei ihre
einstündige Sendung, die im Campus & Schon in den Titeln der Animationsfilme, Kunst als Botschaft für ein freundschaftli-
City Radio 94.4 ausgestrahlt und über die das Team der Jugend- und Sozialhilfe-
ches Miteinander, für Kooperation und So-
Livestream im Internet zu hören war. Aus einrichtung »Binder« in Mönichkirchen lidarität verstanden wissen.
Interviews über die Vergangenheit der Kli-
unter der Leitung des Filmemachers Ernst
Gefühle, Gedanken, Hoffnungen in
enten, ihre Ziele und Vorstellungen für eine
Spiessberger produzierten, wird deutlich, Bildern auszudrücken und zu verstehen,
drogenfreie Zukunft, aus komödiantischen
welche Ängste und Hoffnungen im Leben ist trotz kultureller Unterschiede und
Beiträgen und einem selbstgetexteten Rap
der jungen Frauen von Bedeutung sind. Mit
Sprachbarrieren möglich. Die KünstlerIn-
produzierte das gesamte Team der »Villa« schrägen Plastilinfiguren, bunten Papier-
nen, die zur Vernissage der Ausstellung
eine abwechslungsreiche Radiosendung.
kulissen und originellem Sound erzählen anreisen werden, sind an Kontakten und
Texte und inhaltliche Aufbereitung, die Workshopteilnehmerinnen ironisch, künstlerischen Kooperationen interes-
sowie die Aufnahmen mit digitalen Au-
witzig und originell von tragischen Bezie-
siert. Workshops, die sie für Kindern und
diogeräten führten die Klienten zur Gän-
hungen und Katastrophen, jedoch auch von
Erwachsene anbieten, wären eine gute
ze selbst durch; beim Audioschnitt war die Liebe, Glück und happy end. Eine Auswahl
Gelegenheit, tiefere Einblicke in die »Welt
Unterstützung der Workshopleiter Anna der Filme ist auf der Website des Grünen
des Regenbogens« zu gewinnen.
Michalski und Simon Olipitz vom Campus
Kreises zu sehen.
& City Radio 94.4 notwendig.Die Sendung
Kurt Neuhold
wurde für den CIVILMEDIA Award 2015 »K´uychipacha – Malerei aus der Welt des Leiter Kunst im Grünen Kreis
Mag.a Monika Wagner, Geschäftsführerin der Aktion »Hunger auf Kunst und Kultur«,
bei ihrer Eröffnungsansprache am Karlsplatz in Wien
Wege aus der Sucht 31
Univ. Prof. Dr. Manfred Neuberger
Der Wolf im Schafspelz: Nikotin als Einstiegsdroge? Der Missbrauch und die Abhängigkeit vom Nikotin gehören weltweit nach wie vor zu den größten Gesundheitsrisiken. Dabei
bleibt der gesellschaftliche Umgang mit dem Tabakkonsum ein beharrlich inkonsequenter. So werden Präventivmaßnahmen
immer auch von wirtschaftlichen Interessen mit beeinflusst. Basierend auf diesem Hintergrund können neuere Entwicklun-
gen wie die elektronische Zigarette kritisch hinterfragt werden. Was ist wirksamer NichtraucherInnenschutz? Darf Nikotin als Einstiegsdroge zum Konsum »härterer«, illegaler Substanzen
gelten? Welche therapeutischen Perspektiven ergeben sich für die Nikotinbehandlung?
18. Juni 2015, 19.30 Uhr
POOL7 1010 Wien, Rudolfsplatz 9
Eintritt frei
Um Anmeldung wird gebeten
Beratung & Hilfe
2872 Mönichkirchen 25
Tel.: +43 (0)2649 8306
Jasmin Kupfer, BA MA
Fax: +43 (0) 2649 8307
AMS-Suchtberatung, Vorbetreuung NÖ
Vorbetreuung Steiermark
Tel.: +43 (0)664 8111671
Tel.: +43 (0)664 8111023
Ambulantes Betreuungszentrum Wien
1070 Wien, Hermanngasse 12
Tel.: +43 (0)1 5269489
Vorbetreuung Wien, Niederösterreich & Burgenland
Fax: +43 (0)1 5269489-4
Tel.: +43 (0)664 3840827
Leitung ambulantes Betreuungszentrum Linz
Tel.: +43 (0)664 8111024
Ambulantes Betreuungszentrum Graz
Mag.a (FH) Birgit Freischlager
8020 Graz, Sterngasse 12
Vorbetreuung Wien
MMag.a Magdalena Zuber
Tel.: +43 (0)316 760196
Tel.: +43 (0)664 8111029
Vorbetreuung Kärnten & Osttirol
Fax: +43 (0)316 760196-40
Leitung ambulantes Betreuungszentrum Klagenfurt
Ronald Paur MSc
Tel.: +43 (0)664 3840280
9020 Klagenfurt, Feldmarschall Konrad-Platz 3
Tel.: +43 (0)664 2305312
Tel.: +43 (0)463 590126
Vorbetreuung Vorarlberg
Fax: +43 (0)463 590127
DSA Jürgen Pils
Tel.: +43 (0)664 3109437 [email protected]
Vorbetreuung Salzburg
DSA Susanne Fessler-Rojkowski
Tel.: +43 (0)664 8111665
Vorbetreuung Tirol
Ambulantes Betreuungszentrum Linz
Tel.: +43 (0)664 8111675
4020 Linz, Sandgasse 11
Alexandra Baier, BA MA
Tel.: +43 (0)664 8111024
Vorbetreuung Steiermark
Fax: +43 (0)732 650275-40
Tel.: +43 (0)664 8111041
Presseanfragen Tel.: +43 (0)2649 8306-11
Ambulantes Betreuungszentrum Wiener Neustadt
2700 Wiener Neustadt, Grazer Straße 53/14
Tel.: +43 (0)664 8111676 Fax: +43 (0)2622 61721
Retouren an Postfach 555, 1008 Wien
Gesamtleitung Vorbetreuung »Grüner Kreis»
Tel.: +43 (0)664 9100005
mail: [email protected]
Mag.a Katrin Kamleitner MSc
Vorbetreuung Landesgericht Wien, Leitung »Alkohol 2020«
Tel.: +43 (0)664 1809709
Projektleitung AMS-Suchtberatung, Vorbetreuung NÖ/Bgld.
Tel.: +43 (0)664 8111676
Grüner Kreis, Verein zur Rehabilitation und Integration suchtkranker Menschen www.gruenerkreis.at
32 Wege aus der Sucht
Source: http://a-research.info/sites/default/files/magazin/magazin-94.pdf
1.0 INTRODUCTION TO THE STUDY Forum Syd, a Swedish Non Governmental Organization (NGO) working together with The Livelihoods Foundation (LEO), a Kenyan NGO to support the Empowerment of Rural Population in Nyatoto Community in Central Division of Homa Bay County in Kenya, Africa. Forum Syd has solicited support from SIDA, Sweden to fulfill this objective. LEO
AnnAls of CliniCAl PsyChiAtry AnnAls of CliniCAl PsyChiAtry 2011;23(2):105-112 strategic vs nonstrategic gambling: Characteristics of pathological gamblers based on gambling preference Brian L. Odlaug, BA BACKGROUND: Although prior studies have examined various clinical char- Department of Psychiatry acteristics of pathological gambling (PG), limited data exist regarding the