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bei Erwachsenen
Anleitung
zur medikamentösen Tumorschmerztherapie

(Überarbeitet von Dr. Beekhchand Permar)
Pflegeinterventionen in der Schmerztherapie


Herausgeber:

Arbeitsgruppe Schmerztherapie im Onkologischen Zentrum Westpfalz für die Arbeitsgruppe: Prof. Dr. Ch. Madler, Anästhesiologie Prof. Dr. H. Link, Medizinische Klinik Onkologisches Zentrum Westpfalz e.V. c/o Westpfalz-Klinikum GmbH Prof. Dr. Hartmut Link Hellmut-Hartert-Str.

Stand: Juli



Mit freundlicher Unterstützung von
Janssen-Cilag GmbH, Raiffeisenstr. 8, 41470 Neuss
Mundipharma GmbH, Mundipharma-Str. 6, 65549 Limburg
Medikamentöse Tumorschmerztherapie Geleitwort

Im Verlauf einer Tumorerkrankung treten in 40-80% der Fälle z.T. unerträg-
liche Schmerzen auf. Zur Verbesserung der Lebensqualität vieler tumor-
kranker Patienten ist eine suffiziente Schmerztherapie eine notwendige
Voraussetzung. Die Erfahrungen in der Schmerztherapie zeigen, dass
mittels oraler, medikamentöser Therapie in 85-90% eine weitgehende
Schmerzfreiheit zu erzielen ist. Medikamentenabhängigkeit und Sucht stel-
len bei Tumorpatienten kein Problem dar.
Im Rahmen einer interdisziplinären Arbeitsgruppe des onkologischen Zent-
rums Westpfalz wurden die vorliegenden Empfehlungen zur Tu-
morschmerzbehandlung erstellt. Sie sollen dazu beitragen, dass unsere
Tumorpatienten eine schnelle und effektive Schmerztherapie erhalten.
Zusätzlich möchten wir auf die weiterführenden Richtlinien zur Tu-
morschmerztherapie des Tumorzentrums Rheinland-Pfalz hinweisen, mit
dem eine enge Kooperation besteht.
Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Anleitung zur
medikamentösen Tumorschmerz-Therapie
(B. Permar, W. Fett. Überarbeitet von B. Permar)
1.
Vorbedingungen der Schmerztherapie
Prinzipien der systemischen Schmerztherapie
2.1
WHO – Stufenschema Nicht opioidhaltige Analgetika

4. Opioide

4.1 Niedrigpotente Begleitmedikation bei der Schmerztherapie mit Opioiden Koanalgetika
5.1 Antidepressiva
5.2 Neuroleptika
5.3 Antikonsulsiva
5.4 Kortikosteroide
5.5 Bisphosphonate
5.6 Muskelrelaxantia
5.7 Benzodiazepine
Adjuvante Therapie
6.1
Nichtmedikamentöse adjuvante Therapie Medikamentöse adjuvante Therapie
7. Therapeutische

Sonstige topische Behandlung Orale topische Behandlung 8. Intrathekale
Physiotherapie / Lymphdrainage

10. Entspannungsverfahren

Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Literatur
Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Pflegeinterventionen
in der Schmerztherapie
(J. Schmidt))
1. Einleitung
Was sind Schmerzen? . 4
2.1. Der akute Schmerz . 4
2.2. Der chronische Schmerz . 4
2.3. Der somatogene Schmerz . 4
2.4. Der viszerale Schmerz . 4
2.5. Der neuropathische Schmerz . 5
Qualitätssicherung in der Pflege . 5
3.1. Die Rolle und Verantwortung der Pflegenden . 5
3.2. Rituale der Schmerzmittelgabe . 6
3.3. Die Schmerzeinschätzung, -messung und -dokumentation . 7
Einfluss psychosozialer Faktoren auf den Schmerz . 9
Pflegerische Interventionen zur Schmerzreduktion . 10
5.1 Oberflächliche
Wärme- und Kälteanwendungen . 10 5.2 Aromatherapie . 12 5.3 Wickel und Auflagen . 12 5.4 Massagen . 13 5.5 Die ASE . 13 5.6 Ablenkung . 13 5.7 Musik in der onkologischen Pflege . 14 5.8. Transkutane elektrische Nervenstimulation . 14 5.9. Sonstige Therapien . 14
6. Schmerzbehandlung im Alter . 15

6.1. Umgang mit wahrnehmungsgestörten Schmerzpatienten . 15 6.2. Basale Stimulation als Möglichkeit der Wahrnehmungsförderung . 16 Pflegeverständnis . 16 Initialberührung beruhigende Waschung . 17 Medikamentöse Tumorschmerztherapie
7. Aspekte

8. Kritische


9. Literaturverzeichnis

Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Anleitung zur medikamentösen
Tumorschmerz-Therapie

(B. Permar, W. Fett. Überarbeitet von B. Permar)
1. Vorbedingungen
Vor Einleitung einer symptomatischen Schmerztherapie sind folgende Punkte zu berücksichtigen: Die vorliegenden Schmerzen sollten in ihrer Art abgeklärt sein, d.h. die Ursache der Schmerzen sollten dem behandelnden Arzt und auch dem Patienten bekannt sein. Vor Therapiebeginn müssen Schmerzqualität und -intensität ( visuelle Analogskala ) festgestellt werden, um den Erfolg der Schmerztherapie zu beurteilen. Der Patient sollte ausreichende und verständliche Informationen über seinen Krebsschmerz erhalten. 3. Es sollte eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Arzt und Patient aufgebaut werden. Sie kann dazu beitragen, den Bedarf an Analgetika herabzusetzen. 4. Neu aufgetretene Schmerzen bei bekannter Tumorerkrankung erfor- dern zur Optimierung der Behandlung eine diagnostische Abklärung ( z.B. pathologische Fraktur, Metastasen). 5. Etwaige Begleiterkrankungen, außer Tumorerkrankungen, müssen auch berücksichtigt werden, z. b. Arthrose, degenerative Wirbelsäu-lenerkrankungen, Osteoporose, Migräne etc. 6. In der Praxis hat sich ergeben, dass man bei stationären Patienten eine Behandlungsbedürftigkeit feststellt, indem man einen Fragebo-gen aushändigt und ausfüllen lässt. Es hat sich gezeigt, dass sich hier das Hornheider Screening-Instrument am besten eignet.




Medikamentöse Tumorschmerztherapie Medikamentöse Tumorschmerztherapie Prinzipien der systemischen Schmerztherapie
Das Ziel einer medikamentösen analgetischen Therapie ist die weitgehen-de Beschwerdefreiheit des Patienten. Diese ist in der Mehrzahl der Fälle mit einer oralen Schmerztherapie zu erzielen. Vor Beginn der Therapie sollte der Patient über Wirkung und Nebenwir-kung der verordneten Medikamente aufgeklärt werden. Die Gabe der Medikamente erfolgt nach dem Prinzip der Antizipation, d.h. die nächste Medikamentengabe muss erfolgen, bevor der schmerzstillende Effekt der vorangegangenen aufgebraucht ist. Nach Möglichkeit wählt man die orale Schmerztherapie mit Langzeitwirkenden Substanzen und festen Einnahmezeiten. Eine parenterale und transdermale Applikation ist nur bei zwingenden Gründen indiziert, z. B. Schluckstörungen oder zu hohe Opiat-dosen mit schwerwiegenden Nebenwirkungen. Im Rahmen der Dosisfin-dung oder bei nicht gleichbleibendem Schmerzniveau ist die zusätzliche Gabe eines rasch wirksamen, nicht retardierten Opioids sinnvoll, Durch-bruchschmerzen, Schmerzspitzenmedikament (Rescue dosis). Vorzugs-weise wird man hierzu dasselbe Opioid wie das Basisanalgetikum verwen-den. Diese Zwischendosis sollte 20-30% der Dosis des retardierten Opio-ids betragen. Als Faustregel gilt: 1/5 der Basisdosis. Benötigt der Patient häufiger als dreimal pro Tag eine Zwischendosis, so ist die Basisdosis zu erhöhen. Eine Steigerung der Opioiddosis ist nicht Ausdruck einer Toleran-zentwicklung, sondern als Hinweis auf eine Progredienz der Krankheit zu deuten. Auftretende Nebenwirkungen sind frühzeitig mittels Adjuvantien (insbeson-dere Antiemetika und Laxantien) zu therapieren. Koanalgetika können zur Optimierung der Schmerztherapie erforderlich sein, erfordern aber eine differenzierte Schmerzerfassung. Während der Initialphase einer Schmerz-behandlung kann das Führen eines Schmerzkalenders (Schmerztagebuch, s. Anlage) sehr hilfreich für Patient und Therapeut sein. Falls sich mit der im Folgenden aufgezeigten Schmerztherapie innerhalb eines angemessenen Zeitraums (ca. 1 Woche) keine befriedigende Schmerzlinderung erreichen läßt, besteht die Möglichkeit, den Patienten in der Schmerzambulanz unseres Hauses (Tel. 0631/203-1037) vorzustellen.



Medikamentöse Tumorschmerztherapie WHO – Stufenschema
In der Literatur wird zur Behandlung von Tumorschmerzen vielfach ein Stufenschema vorgeschlagen, das 1986 von der Weltgesundheitsorganisa-tion (WHO) erarbeitet und publiziert und 1996 revidiert wurde. Der didaktische Wert dieses Stufenplans ist unstrittig, denn hierdurch wird eine rasche Orientierung in der Schmerztherapie möglich. Zudem verhin-dert er irrationale und unnötig invasive Behandlungsverfahren. Abb. 1: WHO-Stufenschema zur Therapie von Tumorschmerzen Medikamentöse Tumorschmerztherapie Die Grundsätze des WHO–Stufenplans sind folgende: Auswahl der Analgetika nach einem Stufenplan Kombination von peripher und zentral wirksamen Analgetika  Ausreichend hohe Dosierung entsprechend den vom Patienten sub- jektiv empfundenen und angegebenen Schmerzen Regelmäßige Applikation nach einem festen Zeitplan Bevorzugung nicht-invasiver Arzneiformen, d.h. möglichst langer Ein-satz von oral, sublingual oder transdermal applizierbaren Analgetika  Auf jeder Stufe sollten gegebenenfalls adjuvante Therapieverfahren eingesetzt werden. Niemals Analgetika der WHO-Gruppe II mit WHO-Gruppe III kombinie-ren, da diese nur Nebenwirkung verursachen oder keine Analgesie Medikamentöse Tumorschmerztherapie Analgetika
In dieser Gruppe werden eine Reihe von Substanzen zusammengefasst, die unterschiedlichen Stoffklassen entstammen. Der genaue Wirkmecha-nismus ist im Detail nicht für alle Vertreter bekannt. Die Gemeinsamkeit dieser Präparate besteht darin, dass sie nicht am Opiatrezeptor angreifen, aber andererseits neben ihrem peripheren Wirkmechanismus zusätzlich noch zentrale Effekte besitzen. Allen Präparaten gemeinsam ist weiterhin die Tatsache, dass ab einer bestimmten Dosis keine Verbesserung der Analgesie zu erzielen ist und auch Nebenwirkungen zu erwarten sind. Erhebliche Unterschiede weisen die einzelnen Präparate jedoch hinsicht-lich Pharmakokinetik, analgetisch-antiphlogistischer Potenz und der Aus-prägung von Nebenwirkungen auf. Die neuen selektiven Cyclooxygenase-II-Inhibitoren weisen den Vorteil auf, dass gastrointestinale Komplikationen deutlich seltener auftreten (wie auch bei Paracetamol). Wegen der langen Halbwertszeit werden sie nur 1-2x am Tag eingenommen. Die analgetische Potenz liegt maximal bei der der bekannten ‘klassischen' Substanzen. Die nichtopioidhaltigen Analgetika bilden die Basis nahezu jeder medika-mentösen Schmerztherapie. Tab. 1: Klinische Wirkung nichtopioider Analgetika Nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR)

(Acetylsalicylsäure, Diclofenac, Ibuprofen, Indometacin) Nichtsaure Pyrazole
Medikamentöse Tumorschmerztherapie Dosierung, Wirkdauer und Tagesmaximaldosis nichtopioidhaltiger Analgetika Präparat
Acetylsalicylsäure Sind Substanzen der neueren Cox-2 (Cyclooxygenase-II-Hemmer) und besitzen die Vorteile , dass sie kaum Magen-Darm-Nebenwirkungen aufweisen und auch nicht die Niere schädigen. Ansonsten besitzen sie die gleichen Nachteile wie die klassischen NSAR's. - Celecoxib (Celebrex) 100 – 200 mg /Tag - Etoricoxib (Arcoxia) 60 – 120 mg/Tag - Lumiracoxib (Prexige) 100 mg /Tag (wurde 2009 wegen NW vom Markt genommen) - Parecoxib (Dynastat) 40 mg/Tag (i.v.) Medikamentöse Tumorschmerztherapie Die Opioide stellen die wichtigste Medikamentengruppe in der Tu-morschmerztherapie dar. Sie entfalten ihre Wirksamkeit durch Bindung an Opiatrezeptoren vornehmlich im Zentralnervensystem, aber auch in der Körperperipherie. Bei identischem Wirkungsspektrum unterscheiden sich die Opioide in ihrer Affinität zum Opiatrezeptor und damit in ihrer analgeti-schen Potenz. Für die Klinik hat sich eine Einteilung in niedrigpotente und hochpotente Opioide bewährt. In der Regel lässt sich das Behandlungser-gebnis dadurch verbessern, dass zusätzlich zum Opioid ein nichtopioides Analgetikum verordnet wird. Es macht jedoch keinen Sinn, verschiedene Opioide gleicher Wirkdauer oder unterschiedlicher Stärke miteinander zu kombinieren. Die Supplementierung eines langwirksamen Opioids (z.B. Morphin retard) mit einem kurzwirksamen Opioid (z.B. Sevredol) als Top-up-Dosis kann hingegen durchaus sinnvoll sein und wird bei Schmerzspit-zen (Durchbruchschmerzen) verwendet. Medikamentöse Tumorschmerztherapie 4.1 Niedrigpotente Opioide Von den niedrigpotenten Opioiden hat sich das Tramadol besonders be-währt. Es liegt als einziger Vertreter dieser Gruppe in sämtlichen Applikati-onsformen vor. Wie auch die übrigen schwachen Opioide ( Tilidin, Na-loxon,Codein, Dihydrocodein ) besitzt auch Tramadol eine Höchstdosis ( 600 mg pro Tag ), die nicht überschritten werden sollte, da dies keine Ver-besserung der analgetischen Wirkung erbringt. In einem solchen Fall muss die Medikation auf hochpotente Opioide umgestellt werden. Die Wirkungsdauer des Tramadols beträgt ca. 4 Std. Die bevorzugt zu wählende Retardform ermöglicht Intervalle von 8 – 12 Std. Bei Schluckstö-rungen kann Tramadol auch in Tropfenform appliziert werden. Als häufigs-te Nebenwirkung werden Übelkeit und Erbrechen beobachtet, insbesonde-re bei zu schneller intravenöser Injektion. Zu beachten ist, dass Retardpräparate ihre Retardwirkung nur bei intakter Darreichungsform entfalten. Sie dürfen daher nicht halbiert oder gar zerrie-ben verabreicht werden. Tab. 3 : Auswahl niedrigpotente Opioide Wirkstoff Medikament Wirkdauer
wirkungen
Obstipationen als bei anderen Tramadol
stärker eme-tisch Tilidin +
Medikamentöse Tumorschmerztherapie 4.2 Potente Ist durch die Kombination nichtopioidhaltiger Analgetika und niedrigpoten-ter Opioide ( z.B. Tramadol 600 mg/Tag) der Tumorschmerz nicht mehr beherrschbar, kombiniert man in der dritten Stufe des WHO – Stufenplans das Nichtopioidanalgetikum mit einem potenten Opioid. Eine solche Umstellung sollte nicht hinausgezögert werden. Eine klinisch relevante Atemdepression, Suchterzeugung oder Toleranzentwicklung stellen bei richtiger Anwendung keine ernsthafte Gefährdung des Patienten dar. Bei sorgfältiger Dosierung können potente Opioide lange Zeit ohne Toleranzentwicklung eingesetzt werden. Tab. 4: Auswahl potenter Opioide Wirkstoff Medikament
Wirkdauer Dosis wirkungen
Mittel der 1. Wahl NW z.T. therapeu- tisch nutzbar bei Luftnot, Diarrhoe Obstipation stän- dig, andere NW oft nur i.d. Initialphase Merke: Patient mit Halluzinationen, aber keine Luftnot an. Oxycodon
Wechsel sinnvoll Oxycodon +
Öffnen (z.B. bei Schluckbeschwer-den), tendenziell weni- Fentanyl
(siehe untere Tabellen) Partieller Agonist, Ceiling-Effekt bei (bei höheren Do- me der Analgesie, sondern nur mehr wichtiges Indikati-onsfeld bei Schluckstörungen! Tapentadol
Medikamentöse Tumorschmerztherapie Innerhalb dieser Analgetikagruppe gilt das Morphin als Medikament der ersten Wahl. Bei der Umstellung ist auf die Äquipotenzdosis zu achten (siehe Tab. 6). Die Morphindosis sollte solange erhöht werden, bis eine Schmerzfreiheit erzielt ist. Bei starken Nebenwirkungen oder im Verlauf geringer Wirksamkeit trotz adäquater Dosiserhöhung ist ggfs. Ein Opioid-wechsel sinnvoll (z.B. von Morphin auf Oxycodon oder Hydromorphon). Die retardierten Morphinpräparate stellen heute den Standard in der Tu-morschmerztherapie dar. In der Regel wird bei einer Vorbehandlung mit 600 mg Tramadol/Tag mit 2 x 30 mg Morphin retard begonnen. Zusätzlich sollte bei Bedarf ein kurzwirksames, nicht retardiertes Morphinpräparat ( z.B. SevredolR ) in Höhe von 1/6 der Gesamttagesdosis verabreicht wer-den. Erfolgt diese Anforderung mehr als dreimal innerhalb von 24 Std., sollte die Retarddosis erhöht werden. Tab.5: Fentanyl-Dosisfindung anhand des Morphin-Tagesbedarfs (mg/Tag)
(mg/Tag)
( µg/Std.)
Alternativ, insbesondere bei vorliegenden Problemen mit der oralen Medi-kation oder eingeschränkter Patientencompliance besteht die Möglichkeit, mit Hilfe des Fentanyl-TTS und Buprenorphin ein hochpotentes Opioid nichtinvasiv transdermal zu applizieren. Hierbei ist zu beachten, dass stabile Plasmaspiegel nach der ersten Pflas-terapplikation erst nach 12-24 Stunden erzielt werden. Deshalb sollte in den ersten zwölf Stunden weiterhin das zuvor eingenommene Opioid in der gleichen Dosis und in den nächsten zwölf Stunden bedarfsorientiert in Form eines nichtretardierten Morphins (z.B. SevredolR )verabreicht werden. Fentanyl-TTS liegt in 4 Größen vor: 10, 20, 30 und 40 cm2. Pro cm2 werden 2,5 µg/h Fentanyl freigesetzt, d.h. die kleinste Pflastergröße setzt 12,5µg/h Fentanyl frei. Die Pflaster werden in der Regel alle 72 Stunden gewechselt. Der Applikationsort sollte für den Patienten leicht erreichbar sein (z.B. Brust, Bauch, Oberarm oder Oberschenkel). Wird das TTS-System ent- Medikamentöse Tumorschmerztherapie fernt, muss mit einer langsamen Abflutung der Fentanylkonzentration über 12 – 24 Std. gerechnet werden, da aus dem Depot unter der Haut über diese Zeit hinweg noch weiter das Medikament in den Blutkreislauf abge-geben wird. Die Schmerzbehandlung mit transdermalem Fentanyl und Buprenorphin stellt keine Monotherapie dar. Auch hier gelten alle Regeln der systemi-schen Pharmakotherapie. Auch Buprenorphin ist seit kurzem als transdermales System (TTS und Matrix) verfügbar. Die Dosierungen sind: 37,5; 52,5 und 72,5 g/h. Seit kurzem gibt es eine niedrigere Dosierung mit 5 – 10 g/h. Diese niedrig dosierten Pflaster sol-len für chronische degenerative Wirbelsäulenerkrankungen, insbesondere Arthrose u. ä. Erkrankungen verwendet werden um Nebenwirkungen von NSAR zu vermeiden. Tab. 6: Analgetische Potenz der Opioide (Morphin = 1) Substanz
Hydromorphon BtM * Einige neue Studien belegen, dass Buprenorphin in seiner Potenz mit Fentanyl gleich zu setzen ist. Tapentadol: Handelsname Palexia, wurde im Oktober 2010 in Deutschland eingeführt. Es wird ihm eine duale Wirkung auf das Zentral-Nerven-System zugeschrieben. Zum einen als µ-Opioid-Rezeptor Agonist (MOR) zum an-deren als selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NRI). Daher ist diese Substanz zur Behandlung von gemischten Schmerzen (Mixed Pain) geeignet. Tapentadol ist nur als Retard-Präparat in Dosierungen von Medikamentöse Tumorschmerztherapie 50-250 mg verfügbar. Es unterliegt den BtM-Vorschriften. Besondere Vor-sicht ist geboten bei Abhängigkeit, dialysepflichtige Niereninsuffizienz, Gal-lenwegserkrankungen, Hirndrucksteigerungen, erhöhte Krampfbereitschaft, Leberfunktionsstörungen, Schwangerschaft und Stillzeit. Bei Patienten mit Niereninsuffizienz ist keine Dosisanpassung notwendig. Das Gleiche gilt für ältere Patienten. Nebenwirkungsprofil ist ähnlich wie bei den übrigen Opioid-Analgetika, allerdings in abgeschwächter Form. (Kleinert, R.; et al:"Single Dose Anal-gesic Efficacy of Tapendol in Postsurgical Dental Pain", International An-aesthesia Research Society Vol. 107, No. 6, Dec. 2008) Durchbruchschmerzen Definition: Eine vorübergehende Verstärkung von Schmerzen bei Patienten mit relativ stabilem und angemessenem kontrollierten Dauerschmerz (Portenoy RK, Hagen NA, Breakthrough pain; definition, prevalence and characteristics; Pain 1990 Jun; 41; 273-281) Medikamente gegen Durchbruchschmerzen (Schmerzspitzen, Rescue Medication): Bisher gab als Quick Release (schnellwirkend) nur Morphin in Form von Tabletten (Sevredol), Tropfen oder Trinkampullen. Mittlerweile gibt es für fast alle o. g. Retard-Präparate maßgeschneiderte schnellwir-kende Substanzen. In der Regel beträgt die Dosierung der schnellwirken-den Substanzen 1/5 der Tagesdosis von Retard-Präparaten. - Morphinsulfat (Tabl., Tr., Trinkampullen) - Oxycodon (Oxygesic ) - Hydromorphon (Palladon ) - Buprenorphin (Temgesic SL) - Fentanyl (Actiq) 200 – 800 g In den letzten 2 Jahren wurden mehrere schnell wirkende Formulierungen von Fentanyl zugelassen. Von verschiedenen Autoren werden unterschied-liche Vorteile dieser Substanzen beschrieben, wobei i. d .R. alle gut und schnell wirksam sind. Besonders hervorzuheben sind die nasal zu verab-reichenden Mittel, die erhebliche Vorteile für Patienten mit Schluckstörun-gen, oraler Mukositis, Z. n. Bestrahlung der Mundhöhle haben, da diese keine oralen Substanzen zu sich nehmen können. Einige davon sind Effentora (Buccaltabl.), Abstral Subling. Tabl., Instanyl Nasalspray und PecFent Nasalspray. Die Dosierungen dieser Substanzen bewegen sich zwischen 200 µg und 800 µg und müssen an die Basis-Fentanyl-Dosis angepasst werden. (Expertenkonsens vom 30.10.2010, Thieme Praxis Report 2011; 3(5); 1-16) Medikamentöse Tumorschmerztherapie Tab. 7 Handelsnamen der auf dem Markt befindlichen Opioiden Oxycodon + Naloxon Hydromorphon (AOS) Buprenorphin (Tbl.) Buprenorphin (Pflaster) Buprenorphin (Pflaster) - Durogesic, Matrifen u. a. = Fentanyl (Pflaster) Intravenöse Opioidapplikationen
Eine intravenöse Applikation von Opioiden kommt bei Patienten in Frage,
bei denen eine orale Medikamenteneinnahme nicht möglich ist, wie z. B.
bei anhaltendem Erbrechen und Übelkeit, Schluckstörungen , Passagestö-
rungen, Dysphagien oder bei sehr hohen Opioiddosierungen mit extrem
starken Nebenwirkungen, sowie in der terminalen Krankheitsphase. Hier
empfiehlt sich eine Mixtur aus:
- Morphin 100 mg - Haloperidol 1 – 2,5 mg - Metamizol 3000 – 5000 mg - NaCl in einen Perfusor zu ziehen und 2 ml/h zu infundieren. Je nach Zustand des Patienten und der Schmerzstärke kann die Dosierung von Morphin und Haloperidol modifiziert werden. Die Dosierung richtet sich nach der Schmerzstärke, dem Leidensdruck und dem Allgemeinzustand der Patien-ten. Mittlerweile gibt es injizierbare Opioide, die individuell auf die Retard-Präparate bei Bedarf parenteral angewendet werden können. Basis für alle Opioide ist Morphin (MSI u. a.). Medikamentöse Tumorschmerztherapie = Morphinsulfat Injekt. 10 mg, 100 mg, 200 mg = Oxygesic Injekt 10 mg, 20 mg = Palladon Injekt 2 mg, 10 mg, 100 mg Diese Substanzen sind für die Titration zur Dosisfindung, bei Durchbruch-schmerzen sowie als Infusion mittels Perfusor oder PCA geeignet. 4.3 Begleitmedikation bei der Schmerztherapie mit Opioiden Laxantien: Obstipation ist die häufigste Nebenwirkung bei der Opioidgabe.
Dieser unangenehme Nebeneffekt der Opioide entwickelt im Laufe der Zeit
leider keine Toleranz, deswegen ist eine Therapie mit Laxantien zwingend
notwendig. Bei Nichtbehandlung der Obstipation besteht die Gefahr einer
Ileusentwicklung, sodass eine Laxansgabe gleich zu Beginn der Behand-
lung indiziert ist.
Lactulose (Bifiteral®) 1 - 3 x 15 ml/d Wirkungseintritt nach 8 h Natriumpicosulfat (Laxoberal®) 10-30 Trpf./d Wirkungseintritt nach 2-4 h Bisacodyl (DulcolaxR) 10 mg Supp./d Wirkungseintritt nach 0,5 h 20 mg Drg./d Wirkungseintritt nach 10 h Sennosid (Liquedipur®) 10 ml/d Wirkungseintritt nach 10 h Macrogol (Moricol) Mittlerweile gibt es auch ein Stufenschema zur Behandlung der Obstipation bei der Opioidbehandlung (s. Abb.) Relistor (Naltrexon): Seit August 2008 ist ein selektiver µ-Rezeptor-Antagonist im G.I.T., der keine ZNS-Wirkungen besitzt auf dem Markt. Daher wirkt er nur lokal im G.I.T. und die opioid-induzierte Analgesie bleibt unverändert. Relistor ist nur in Injektionsform erhältlich und wird nur s.c. verabreicht. Die Dosierung beträgt 0,15 mg/kg/KG. Ein mechanischer Ileus ist die klas-sische Kontraindikation.


Medikamentöse Tumorschmerztherapie Medikamentöse Tumorschmerztherapie
Antiemetika: Übelkeit und Erbrechen sind die am meisten gefürchteten
Symptome, die als Nebenwirkungen einer Opioidtherapie auftreten. Sie
beeinträchtigen die Lebensqualität der Patienten in einem erheblichen Ma-
ße und müssen daher gleich zu Beginn der Therapie mit behandelt wer-
den. In der Regel entwickelt sich mit der Zeit eine Toleranz und die Patien-
ten benötigen immer weniger Antiemtika als zu Beginn der Behandlung.
- Ondansetron u. a. neuere 5-HT3-Antagonisten Auch manche D2-Antagonisten, H1- und H2-Antagonisten, sowie Neurolep-tika wirken antiemetisch. Manche Autoren sprechen inzwischen auch von einem Stufenschema der Antiemetika. Medikamentöse Tumorschmerztherapie
5. Koanalgetika
Koanalgetika gehören nicht zu der Gruppe der Analgetika, können aber in speziellen Situationen eine Schmerzreduktion bewirken und dienen damit der Ergänzung der Schmerztherapie. Ihr differenzierter Einsatz erfordert eine sorgfältige Anamnese des Schmerzcharakters sowie eine ausrei-chende Kenntnis über das Stadium der Tumorerkrankung. Die in Frage kommenden Koanalgetika werden im folgenden kurz vorge-stellt. 5.1 Antidepressiva: Indikation: Neuropathische Schmerzen (Brennschmerzen) und depressive
Verstimmung durch das Tumorleiden – außerdem erleichtern sie die
Schmerzverarbeitung.
Amitryptilin ( SarotenR ) 10 – 75 (-150) mg/d indifferent/sedierend Doxepin ( AponalR ) dämpfend/sedierend Clomipramin (AnafranilR) 10 – 75 mg/d antriebsfördernd Es kommen auch neuere Antidepressiva der SSRI (Selctiv-Serotonin- Reuptake-Inhibitoren) und Dualblocker kommen zum Einsatz, z. B. Fluctin, Cipramil etc. Nebenwirkungen: Mundtrockenheit, Herzrhythmusstörungen, Miktionsstö-
rungen, selten Leberfunktionsstörungen, Benommenheit
Wichtig: Einschleichende Dosierung, Wirkungsmaximum erst nach 7 - 14
Tagen !
Neuerdings ist auch Duloxetin für diese Indikation zugelassen und wird mit Erfolg eingesetzt. Medikamentöse Tumorschmerztherapie 5.2 Neuroleptika: Haloperidol ( HaldolR) Levomepromazin (NeurocilR) Nebenwirkungen: extrapyramialmotorische Syndrome, anticholinerge Wir-kungen wie Obstipation, Harnverhalt bei Prostataadenom, Akkommodati-onsstörungen und Mundtrockenheit Herzrythmusstörungen, Tachykardie. Vorsicht bei Glaukom! 5.3 Antikonvulsiva: Indikation: Einschießende (elektrisierende) neuropathische Schmerzen, z.
B. bei Tumorinfiltration von nervalen Strukturen, Z. n. Chemotherapie und
Bestrahlung.
Carbamazepin (TegretalR )
300 – 600 mg/d Nebenwirkungen: Schwindel, Ataxie, Hautreaktionen, selten Leukothrom-bopenie Wichtig: einschleichende Dosierung, max. 1600 mg/d Oxcarbazepin (Trileptal) 150 – 600 mg/d Nebenwirkungen: wie bei Carbamazepin, aber sehr schwach Mexiletin (MexitilR) 450 – 600 mg/d Nebenwirkungen: Proarrhythmische Wirkungen, Benommenheit, Übelkeit, Sehstörungen, Tremor, Parästhesien etc. Gabapentin (Neurontin) 100 – 2400 mg/d Nebenwirkungen: Schwindel, Müdigkeit, gastrointestinale Beschwerden, Ataxie. Wichtig: einschleichende Dosierung! Pregabalin (Lyrica) Nebenwirkungen wie bei Gabapentin, aber schwach. Mittlerweile gibt es weltweit einige Berichte, wonach Pregabalin ein sehr hohes Suchtpotenzial besitzt und soll bei suchtgefährdeten oder ehemals süchtigen Patienten mit großer Vorsicht eingesetzt werden. Medikamentöse Tumorschmerztherapie 5.4 Kortikosteroide: Indikation: Antiphlogistisch/antiödematös bei Schmerzen durch Weichteilin-filtration, Nervenkompressionssyndrome, Lymphödem, intraabdominelle Tumoren, Hirndruckerhöhung, Stimmungsaufhellung, Appetitanregend Dexamethason (FortecortinR , Decortin) initial 8 –24 mg/d Erhaltungsdosis bei Wirksamkeit 2-4 mg/d Nebenwirkungen: Stimmungsaufhellung, Appetitzunahme, Gastroduo-denalulcera, Ödeme 5.5 Bisphosphonate: Bisphosphonate sind die derzeit aktivsten Hemmer des Knochenabbaus. Die therapeutische Wirkung beruht auf der hohen Bindungsstärke zu den Kalzium-Phosphat-Kristallen im Knochen. Die Folge ist die Hemmung des Knochenabbaus und die Herabsetzung des Kalziumspiegels. Indikation: Osteolytische Prozesse durch Hemmung der Osteoklastenakti-vität, Schmerzlinderung bei Skelettmetastasen sowie bei begleitender Os-teoporose und Hyperkalziämie durch Karzinome. Kontraindikation: Niereninsuffizienz, akute Infekte und G.I.T.-Beschwerden Clodronsäure ( OstacR ) i.v.: 300 – 600 mg/500 ml NaCl täglich über 10 Tage oral: 2 x 800 mg/d (schlechte Bioverfügbarkeit) Alendronsäure (Fosamax) 10 mg und 70 mg, wobei 70 mg 1 x pro Woche Etidronsäure (Didrenel-Kit, Diphos) Pamidronsäure (ArediaR) i.v.: 60-90mg/500 ml NaCl alle 3-4 Wochen Risedronsäure (Actonel) 5,30,35 mg, letzteres 1 x pro Woche Ibandronsäure (BondronatR, Bonviva) i.v.: 2-6 mg/500 ml alle 3-4 Wochen Zoledronsäure (Zometa) 4mg und 8 mg-Infusion Zoledronsäure (Aclasta) 5 mg Infusion ist mittlerweile für ein Jahr ausrei-chend für die Osteoporose-Behandlung. Bei Aclasta-Infusionen ist zu be-achten, dass in den ersten fünf Tagen grippale infektartige NW wie Kopf-, Hals-, und Gliederschmerzen sowie Fieber auftreten können. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Nebenwirkungen: gastrointestinale Beschwerden bei zu schneller Infusion, Ca-Spiegel-Abfall, bei oraler Gabe: Nahrungskarenz 2 h vor und 1 h nach Einnahme, am besten abendliche Einnahme Medikamentöse Tumorschmerztherapie 5.5 Muskelrelaxantia: Tetrazepam (MusarilR) 50 – 100 mg/8stdl. Baclofen (LioresalR) 5 - 20 mg/d - bei schmerzhafter Muskelspastik auf-grund zentralnervöser Läsionen Flupirtin (KatadolonR) 300 mg/d kombinierte zentralanalgetische und mus-kelrelaxierende Wirkung Methocarbaml (orthoton), Pridinol (Myoson-direkt), Tolperison (Mydocalm) Muskelrelaxierende Wirkung 5.6 Benzodiazepine: Indikation: Kritischer Einsatz ! Häufig stark sedierende Wirkung im Zu-sammenhang mit Opioiden und paradoxe Reaktion bei älteren Patienten. Keine koanalgetische Wirkung. Diazepam (ValiumR) 5 – 20 mg/d per os Wird aber wegen der langen Wirkungszeit nicht mehr verwendet. Dagegen ist z. B. Lorazepam (Tavor) wegen des schnellen Wirkungseintritts und der guten Steuerbarkeit zu empfehlen. Ab und zu wird auch Chlorazepat (Tranxilium) wegen seiner guten anxiolytischen Wirkung bevorzugt. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Adjuvante Therapie
Bei der adjuvanten Therapie unterscheidet man die medikamentöse von der nicht medikamentösen Therapie. Die medikamentöse Therapie mittels Adjuvantien dient in erster Linie zur Behandlung von unerwünschten Ne-benwirkungen in der Schmerztherapie. Die häufigsten Probleme bei Opioidmedikation sind initiale Übelkeit und Erbrechen sowie dauerhafte Obstipation. Daher erhalten alle Patienten, die mit Opioiden behandelt werden, regelhaft Laxantien sowie initial oder dau-erhaft ein Antiemetikum. Eine nichtmedikamentöse adjuvante Therapie dient zur Besserung des Beschwerdebildes. Hier subsummieren sich Methoden und Behandlungs-strategien der speziellen Schmerztherapie. 6.1 Nichtmedikamentöse adjuvante Therapie: - Physiotherapie - Lymphdrainage - Entspannungsverfahren und Biofeedback - Palliative Radiatio - TENS (transkutane, elektrische Nervenstimulation) - Akupunktur 6.2 Medikamentöse adjuvante Therapie (Adjuvantien) - Auswahl 6.2.1 Antiemetika:
Metoclopramid (Paspertin®) 3 x 10 mg (= 30 Trpf.)/d Triflupromazin (Psyquil®) 10 – 50 mg/d oral, 75 – 100 mg/d supp. Haloperidol (Haldol®) 3-4 x 0,3-0,5 mg (= 3-5 Trpf.)/d Ondasetron (Zofran®, Axisetron ®, Cellondan ®) 1-2 x 4 mg/d Dolasetron (Anemet®, Axisetron ®) 1 x 200 mg/d oral/12,5 – 100 mg iV Domperidon (Motilium®) 3 x 10mg (= 30 Trpf.)/d Granisetron (Keratril®) = 1-3 mg iV/ 2 mg oral Palonosetron (Aloxi) ® 250 µg iV Medikamentöse Tumorschmerztherapie Neuerdings wird von Prof. Klaschick und seiner Arbeitsgruppe ein Stufen-schema zur Behandlung von Übelkeit und Erbrechen empfohlen (s. Abb.). Ursache Therapie
Gastrotase
1. Metoclopramid Opiatgabe
2. Metoclopramid 3. Haloperidol + Metoclopramid 4. Haloperidol + Domperidon 5. Haloperidol + Domperidon + 5-HT3-Rezeptor-Antagonist 1. Spezifisch: Scopolamin, Octreotid, Dexmethason Obstruktion
3. 5-HT3-Rezeptor-Antagonist 4. Levomepromazin 6.2.3 H2-Antangonisten / Protonenpumpeninhibitoren
Indikation: gastraler Reflux, Sodbrennen Ranitidin (ZanticR) 150 – 300 mg/d zur Nacht Omeprazol (AntraR) 20 mg/d zur Nacht Pantoprazol (Pantozol) Isomeprazol (Nexium) 6.2.4 Cannabinoide
Aus der Forschung der letzten Jahre ist es ausreichend bewiesen, dass unser Körper ein Endocannabinoides System besitzt. Dieses System bein-flusst das Schmerzempfinden, - erlebnis und – verarbeitung. Aus den ver-schiedenen Bestandteilen der Hanfpflanze ist Tetra-Hydro-Cannabinoid (THC) der wichtigste aktive Wirkstoff, der in der klinischen Anwendung benutzt wird. Medikamentöse Tumorschmerztherapie THC wirkt antiphlogistisch, antiemetisch, muskelrelaxierend, sedierend, appetitanregend, analgetisch und anxiolytisch. Der Wirkstoff ist in Tropfen- und Kapselform erhältlich. - Dronabinol (Tropfen und Kapseln) 2,5 – 10 mg am besten ½ h vor den Mahlzeiten 6.2.5 Vertebroplastie, Zementoplastie
Ein kleiner Eingriff in LA, der bei einzelnen, kleinen lokalisierten Kno-chenmetastasen (Wirbel, Rippe, Sakrum) zur Palliativtherapie angewendet wird. Es wird eine gute Schmerzlinderung erreicht. Medikamentöse Tumorschmerztherapie
7. Therapeutische Lokalanästhesie/Regionalanästhesie
Dies sind invasive therapeutische Maßnahmen, erzielen aber bei richtiger Indikation eine exzellente Analgesie. Hauptindikationen sind: - sehr hohe Opiatdosen mit erheblichen Nebenwirkungen - Nerven- bzw. Plexusinfiltrationen durch den Tumor, bei denen mit kon- ventionellen Therapien keine ausreichende Analgesie erreicht wird. Meistens werden Dauerblockaden mit Kathetersystem verwendet. Dabei muss mit den üblichen Komplikationen gerechnet werden. 7.1 Topische Lokalanästhesiebehandlung
Versatis (5% Lidocain-Pflaster): Seit Februar 2008 im Handel. Geeignet
für Behandlung der peripheren Neuropathien, die mit heftigen Allodynien
vergesellschaftet sind, z. B. postherpetische Neuralgie etc. Durch lokale
Kühlung und Anästhesie wird eine sehr gute Schmerzlinderung erreicht,
die i. d. R. gut verträglich ist. Dieses Pflaster sollte nicht im Gesichtsbe-
reich verwendet werden. Das Pflaster kann bei Bedarf genau auf die Be-
handlungsstelle zugeschnitten und geklebt werden. Ab und zu sind lokale
Allergien bekannt.
7.2 Sonstige topische Behandlung
Qutenza (Capsaicin 8%-Pflaster): Seit 2010 ist eine weitere lokale Behand-
lungsmöglichkeit der peripheren Mononeuropathien zugelassen.
Capsaicin ist ein Agonist an TRPV I (Transient Receptor Potential
Vanilloid I) - Rezeptor. Dieser ist ein Kanal-Rezeptor-Komplex exprimiert
an die Nociseptiv-Nervfaser in der Haut. Durch die Behandlung mit
Qutenza wird der Nociseptor an der Haut für eine gewisse Zeit, i. d. R. drei
Monate, eliminiert und die dadurch entstandene Analgesie bleibt für diese
Zeit erhalten. Die Anwendung dieses Pflasters ist etwas aufwendig und
benötigt besonders geschultes Pflegepersonal. Die Patienten werden meis-
tens für 3-4 Stunden zur Behandlung in die Praxis bestellt und während der
gesamten Behandlungsdauer überwacht. Wir haben gute Erfahrungen mit
dieser Therapie gemacht, sie ist allerdings teuer und zeitaufwendig.
Medikamentöse Tumorschmerztherapie
7.3 Orale topische Behandlung
Orale Mukozitis ist eine schmerzhafte und ernst zunehmende Komplikation
der Carzinomtherapie (Chemotherapie und Bestrahlung). 40 – 70% der
Patienten, die o. g. Behandlung erhalten, entwickeln eine schwere orale
Mukozitis, die schwere Folgen haben kann, z. B. Schluckstörungen, starke
Schmerzen, Abnahme der Speichelfunktion, Geschmackstörungen, Appe-
titlosigkeit, Anorexie/Kachexie, erhöhte Morbidität und Mortalität, Beein-
trächtigung der Lebensqualität und Hospitalisierung (P. Feyer, 1. ASORS-
Jahreskongress, Okt. 2009). Mit unserer hauseigenen Mundspüllösung
haben wir durch die lokal betäubende Wirkung sowie Kühlung und Beruhi-
gung der Schmerzen eine sehr gute Schmerzlinderung erzielt und eine
Erholung der Mukozitis bewirkt.
Caphosol ist eine kommerziell erhältliche Substanz, die mit supersaturier-
ter Kalzium-Phosphat-Lösung als Mundspülung angeboten wird. Dieses
Mittel ist als 2-Phasen-Lösung erhältlich und muss vor Gebrauch gemischt
und sofort angewendet werden. Man sollte mindestens 2-3 Min. mit der
Lösung spülen. Die Spülung sollte alle 4-6 h wiederholt werden.
8. Intrathekale Morphinapplikation
Dies ist auch eine invasive therapeutische Maßnahme, die auch bei den unter Punkt 7 genannten Indikationen Verwendung findet. Die Pumpen müssen unter stationären Bedingungen eingesetzt werden und bedürfen regelmäßiger Befüllung und Kontrolle. Die Befüllung und Kontrolle kann auch ambulant stattfinden. 9. Physiotherapie und Lymphdrainage
Die Physiotherapie ist eine aktive Behandlungsmaßnahme und muss im-mer in einem multimodalen Schmerztherapiekonzept eingebunden sein. Durch gezielte Krankengymnastik, Lymphdrainage, Massagen und ver-schiedene andere Anwendungen kann eine gute Schmerzlinderung und die Erhaltung der Beweglichkeit erreicht werden. Die Indikation zur Therapie muss immer individuell und beschwerdenbezogen gestellt werden. 10. Entspannungsverfahren
Medikamentöse Tumorschmerztherapie Diese Verfahren sind der integrative Teil des multimodalen Konzepts und bewirken eine erhebliche Verbesserung der Lebensqualität und erleichtern den Umgang mit der Krankheit. Die Auswahl der Entspannungsverfahren muss immer nach Persönlichkeit, Struktur und Auffassung der Patienten erfolgen, da es zahlreiche verschiedene Möglichkeiten gibt. Medikamentöse Tumorschmerztherapie
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Medikamentöse Tumorschmerztherapie Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Pflegeinterventionen in der
Tumorschmerztherapie

1. Einleitung
Tumorpatienten leiden in der Regel nicht nur unter dem Fortschreiten der Erkrankung an sich, sondern auch mit unterschiedlicher Intensität unter den damit verbundenen Schmerzen. Sehr viele der Patienten und Angehö-rigen befürchten, dass die Schmerzen im Verlauf der Krankheit noch zu-nehmen werden. Eben diese Angst vor der Zunahme der Schmerzen ver-deutlicht, wie wichtig die richtige Schmerztherapie auch für das allgemeine psychische Wohlbefinden ist. Ziele der Schmerztherapie sind Schmerzfrei-heit oder -linderung, Besserung der Lebensqualität sowie ein guter und erholsamer Schlaf in der Nacht. Schmerz ist für jeden Menschen eine höchst individuelle Erfahrung; eine Erfahrung, die nur derjenige machen kann, der Schmerzen hat. Ärztliches Handeln und ärztliche Verordnung können nur dann erfolgreich sein, wenn sie sich neben zeitgemäßer Technik und geeigneten Medika-menten auch auf eine sachkundige und engagierte Pflege stützen können. Ist eine dieser drei Säulen zu schwach, so sind die übrigen Bemühungen oft vergebens. Schmerzbehandlung ist daher eine wichtige Aufgabe der professionell Pflegenden im interdisziplinären Team. Eine effektive Schmerzprävention und –behandlung erfordert einen interdisziplinären Behandlungsansatz. Die Pflegekräfte spielen dabei aufgrund ihres intensi-ven zwischenmenschlichen Kontaktes mit dem Patienten eine wichtige Rolle. Die Betreuung krebskranker Schmerzpatienten erfordert einen hohen Zeit-aufwand. Moralische Werte wie Verantwortung, Autonomie, Kompetenz, Echtheit und Glaubwürdigkeit sind gefragt, wenn es darum geht, eine an-gemessene Schmerzbehandlung festzulegen und durchzuführen. In dieser Broschüre soll aufgezeigt werden, dass eine individuelle Schmerzbehandlung weit mehr ist als das Verabreichen von Medikamen-ten. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Schmerzen?
"Schmerz ist eine unangenehme sensorische und gefühlsmäßige Erfah-rung, die mit akuter oder potentieller Gewebsschädigung einher geht oder in Form solcher Schädigungen beschrieben wird." Schmerzen können bei Krebspatienten sowohl in akuter als auch in chronischer Form auftreten. Da Schmerzen subjektiv sind, empfahl die Krankenschwester und Pflege-beraterin für Schmerzpatienten Margo McCaffery schon 1968 folgende Definition für die Verwendung in der klinischen Praxis: "Schmerz ist das, was der Betroffene über die Schmerzen mitteilt; sie sind vorhanden, wenn der Patient mit Schmerzen sagt, dass er sie hat." Man unterscheidet grundsätzlich Schmerzen, die durch den Tumor selbst bedingt sind (60-80%), von Schmerzen, die durch die Tumortherapie her-vorgerufen werden können (15-20%). Daneben können auch Schmerzen auftreten, die nicht auf den Tumor oder die Therapie zurückzuführen sind, sogenannte tumorassoziierte Schmerzen (ca.10%) oder gänzlich tumorun-abhängige Schmerzen (3-10%). Die Einteilung der Schmerzen nach ihrer Ätiologie ist wichtig für eine kor-rekte Diagnose und somit auch für die Planung der Pflege und der Schmerzbehandlung. Der akute Schmerz wird durch ein eng umschriebenes, definiertes Ereignis ausgelöst und ist von vorübergehender Natur. Er funktioniert im Sinne ei-nes Warn- und Alarmzeichens. Wird die Ursache des akuten Schmerzes gezielt behandelt, verschwindet der Schmerz normalerweise. chronische Der chronische Schmerz beginnt meist schleichend, ohne dass sich der Patient genau an das erste Symptom erinnern kann. Definitionsgemäß (International Association for the Study of Pain) spricht man von chroni-schen Schmerzen, wenn diese mindestens 3 Monate andauern. Man findet jedoch in der Literatur auch widersprüchliche Meinungen darüber, wie lan-ge Schmerzen bestehen müssen, bevor man sie als chronisch bezeichnet. Der chronische Schmerz hört nicht von alleine auf. Er erfüllt nicht mehr die notwendige Alarmfunktion wie der akute Schmerz. Chronische Schmerzen führen nicht nur zu einer Einschränkung der Körperfunktionen und der Leistungsfähigkeit, sondern bei ungenügender Behandlung auch zu einer Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Veränderung der Persönlichkeit und des psychosozialen Verhaltens und er beeinflusst seine Umwelt. Daraus resultiert, dass der Schmerz nicht nur somatisch, sondern auch psychologisch und pflegerisch behandelt werden kann und muss. Der Tumorschmerz hat meist chronischen Charakter. 2.3 Der somatogene Schmerz Er entsteht durch Aktivierung der Nozizeptoren in Knochen, Muskeln und Gelenken. Er ist meist gut lokalisiert, konstant und wird als dumpf be-schrieben. Er ist der am häufigsten auftretende Schmerz bei Krebspatien-ten, z.B. bei Knochenmetastasen. Somatogene Schmerzen sind durch Analgetika gut beeinflussbar. viszerale Er entsteht durch Infiltration, Kompression oder Dehnung von thorakalen oder abdominalen Organen. Dieser Schmerz ist meist schlecht lokalisiert und wird als pulsierend, gelegentlich krampfartig beschrieben. Manchmal wird der Viszeralschmerz nicht an seinem Entstehungsort, sondern an einem anderen Körperteil empfunden (Projektionsschmerz), z.B. beim Pankreaskarzinom ausstrahlend in Richtung Wirbelsäule. Vis-zerale Schmerzen sind durch Analgetika ebenfalls gut beeinflussbar. 2.5 Der neuropathische Schmerz Der neuropathische Schmerz (Deafferenzierungsschmerz) ist gekenn-zeichnet durch eine brennende, stechende oder elektrisierende Schmerzqualität, oftmals kombiniert mit Sensibilitätsstörungen in seinem Ausbreitungsgebiet. Er entsteht durch eine Schädigung des peripheren und/oder zentralen Nervensystems; häufig durch eine Tumorkompression oder Infiltration der peripheren Nerven. Es handelt sich um einen konstan-ten Grundschmerz, auf den sich kurze und intensive Schmerzattacken in Form von elektrischen Schlägen oder Dolchstöße aufpfropfen können. In Frage kommen auch polyneuropathische Schmerzen infolge einer Chemo-therapie oder Phantomschmerz nach Amputation. Neuropathische Schmerzen sind durch Analgetika vergleichsweise schlecht beeinflussbar. Sie stellen in der Tumorschmerztherapie häufig ein großes Problem dar. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Qualitätssicherung in der Pflege
Die Pflegequalität steht in engem Zusammenhang mit der Auswahl der geeigneten Pflegeintervention. Die festgelegte Pflegemaßnahme muss den neuesten Erkenntnissen der Pflegewissenschaft entsprechen, denn nur Pflegeprofessionalität sichert die Pflegequalität. Schlüsselqualifikationen sind Fähigkeiten und Fertigkeiten, die zur Aus-übung sehr unterschiedlicher Tätigkeiten befähigen. Die Vermittlung von Schlüsselqualifikationen gewährleistet, dass fachübergreifend Kompeten-zen erworben werden. Die Qualität der Schlüsselqualifikation ist letztend-lich sehr stark abhängig von der Bereitschaft des einzelnen, die angebote-nen Lernchancen zu nutzen. Da insbesondere in der letzten Lebensphase häufig Schmerzen und ande-ren Symptome auftreten, wird ein umfangreiches Wissen benötigt, das weit über das bislang erworbene Wissen während der Krankenpflegeausbildung hinaus geht. Schmerztherapie und Symptomkontrolle müssen feste Be-standteile von Aus-, Fort– und Weiterbildung sein, um den Problemen von Patienten und Angehörigen sicher und kompetent begegnen zu können. Es ist völlig normal, dass sich berufliches Wissen weiterentwickelt. Qualifi-zierte Pflegekräfte, die den aktuellen Stand der Forschung nicht kennen, können bei ihrer praktischen Arbeit kaum auf etwas anderes als auf auf Intuition, zum Teil veraltetes Wissen, Rituale und Mythen zurückgreifen. Maßnahmen dürfen nicht bloß durchgeführt werden, weil dies immer schon so war oder weil irgend jemand sie für eine gute Idee hält, sondern weil ihr jeweiliger Nutzen erwiesen ist. 3.1 Die Rolle und Verantwortung der Pflegenden Früher war das Pflegeteam nur am Rande für die Linderung der Schmer-zen als Verantwortliche angesehen worden. So wurde der Schmerzaus-druck des Patienten möglicherweise registriert, ohne darauf zu reagieren. Dies konnte sich im Extremfall in Aussagen äußern wie „es wird schon nicht so schlimm sein", oder „sagen Sie es dem Arzt, wir sind dafür nicht zuständig". Wir verlangten also indirekt, dass er uns damit in Ruhe lässt. Natürlich spricht dies nicht für eine gute Pflegepraxis. Da wir über intensi-vere Patientenkontakte als alle anderen Mitarbeiter des Behandlungsteams verfügen, muss der Pflegeberuf daher seinen besonderen Beitrag in der Pflege von Patienten mit Schmerzen leisten und die Notwendigkeit erken-nen, dass man im Zusammenhang mit Schmerzen eine adäquate Vorge-hensweise zusätzlich zu einer guten medizinischen Versorgung erlernen Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie muss. Pflegepraktiker müssen fähig sein, die zur Schmerztherapie erfor-derliche Wissenskompetenz und Pflegequalität zu entwickeln und zu si-chern. Die Rolle der Pflegenden bei der Versorgung von Tumorpatienten mit Schmerzen umfasst meist das Ausführen von schmerzlindernden Maß-nahmen mit und für den Patienten. Darüber hinaus sollten wir jedoch auch über die Notwendigkeit einer Veränderung der Maßnahme mitbestimmen bzw. zusätzliche Methoden, ihre Durchführung und die Einschätzung der Auswirkungen auf den Patienten im Team einbringen. Verfügen wir Pfle-genden über ein Wissen der pharmakologischen Vorgehensweisen zur Schmerzkontrolle sowie der nicht-invasiven Methoden, z.B. Entspannung, kutane Stimulation, u.a. (s.u.), besteht die einmalige Gelegenheit, diese Maßnahmen für jeden Patienten zu individualisieren. Dieses Vorgehen umfasst die Umsetzung von Beurteilungskompetenzen unter Berücksichti-gung der individuellen Situation jedes einzelnen Patienten. Eine professionelle Pflegekraft mit einem Basiswissen über Beobachtung, Beurteilung, Behandlung und Bewertung von Schmerzen muss ihre Vor-schläge im Hinblick auf eine optimale Schmerztherapie auch allen Mitarbei-tern des Stationsteams unterbreiten. Wir sollten dabei weiterhin versuchen, trotz der Arbeitsbelastung im Stationsalltag, die individuellen Wünsche des Patienten zu berücksichtigen und menschlichen Beistand durch persönli-che Gespräche und Zuwendung zu leisten. 3.2 Rituale der Schmerzmittelgabe Professionelle Kompetenz bedeutet auch, sich im Laufe des beruflichen Lebens immer wieder über die neuesten Schmerzmittel und Therapien zu informieren. Wir brauchen grundlegende Kenntnisse über die Wirkungs-weisen der Medikamente, sowie die nötigen Dosierungen. Wir müssen über die Art und Dauer der Wirkung und Nebenwirkung ebenso Bescheid wissen wie über die verschiedenen Darreichungsformen; dadurch können wir die Pflege unter Einbeziehung der Nebenwirkungen wie z.B. Obstipati-on oder Übelkeit im Voraus planen. Zu einer vorausschauenden Planung gehört ebenfalls die rechtzeitige Gabe von Analgetika z.B. vor einem grö-ßeren Verbandwechsel. Oft herrschen noch Vorurteile von Patienten und teilweise auch noch von Ärzten und Pflegenden gegen die medikamentöse Schmerztherapie mit Opiaten. Dies kann die Angst vor Abhängigkeit oder Sucht des Patienten gegenüber Analgetika, insbesondere Opiaten sein; jedoch gehören zu einer Abhängigkeit neben der pharmakologischen Wirkung des Arzneimit- Medikamentöse Tumorschmerztherapie tels ein komplexes Zusammenspiel von sozialen und psychologischen Faktoren. Für einen Patienten mit einer unheilbaren bösartigen Erkrankung bedeutet die Verweigerung einer ausreichenden Behandlung mit Schmerzmitteln aus Angst vor Abhängigkeit ein deplaziertes, unmenschli-ches Verhalten. Für den Patienten bedeutet die Einweisung ins Krankenhaus oft eine weit-reichende Beschneidung seiner Freiheit und damit auch seiner Autonomie. Mündige, mobile und orientierte Patienten, die zu Hause selbst für die rich-tige Einnahme ihrer Medikamente zuständig waren, verfügen im Kranken-haus noch nicht einmal selbst darüber. Eine von den Patienten selbst be-stimmte Einnahme der Medikamente stärkt deren Bewusstsein als mit ver-antwortlicher Mensch. Was spricht also dagegen, wenn diese selbständi-gen Patienten nach einem vorher festgelegten Plan für ihre eigenen Medi-kamente zuständig sind? Dies wäre ebenfalls eine Möglichkeit zu überprü-fen, ob der Patient auch zu Hause mit seiner Medikamenteneinnahme al-leine zurecht kommt. Die Patienten sollten nicht im Bett liegen und beobachten, wie der Minu-tenzeiger der Uhr qualvoll langsam bis zu dem Zeitpunkt vorrückt, zu dem normalerweise die Medikamentenausgabe stattfindet. Schmerz ist eine Dauerempfindung, er richtet sich zeitlich gesehen nicht nach der sonst üblichen Medikamentenausgabe. Wenn Pflegekräfte nicht glauben, dass es möglich ist, die Schmerzen der Tumorpatienten zu lindern, bzw. dies nicht einmal als Ziel ihrer pflegerischen Arbeit betrachten, ist damit zu rechnen, dass viele Patienten Schmerzen erleiden müssen, die vermeidbar wären. Die Patienten haben ein Recht auf Schmerzlinderung dann, wenn sie Schmerzen verspüren und nicht, wenn das Pflegepersonal beschließt, die Medikamente zu verteilen! Es ist völlig korrekt, wenn Ärzte Medikamente „bedarfsweise" verordnen und es dem Pflegepersonal, das den ganzen Tag mit den Patienten zu tun hat, überlassen, die Schmerzmittel so zu verabreichen, wie sie benötigt werden. Wenn schmerzstillende Medikamente insbesondere in der Nacht so verordnet werden, dass sie „bei Bedarf" verabreicht werden sollen, so muss dieser „Bedarf" von der jeweilig Pflegenden definiert werden. Falls die Pflegekraft sich dabei an ihrer eigenen Schmerztoleranz orientiert, kön-nen die Schmerzen des Patienten leicht unterschätzt werden. Eine andere Möglichkeit, den „Bedarf" zu definieren wäre einfach zu warten, bis der Patient sich wegen Schmerzen meldet. Leider wird jedoch teilweise im Vorfeld vergessen, die Patienten über diese bedarfsgerechte Form der Medikation zu informieren. Es kann auch sein, dass sich der Patient davor scheut zu klingeln, weil er ja ein „braver" Patient sein will, der nicht gerne stört. Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Wir sollten Gebrauch von der Freiheit machen, die uns durch die Verord-nung des Arztes „bei Bedarf" gegeben ist, und diese zusammen mit unse-ren Kenntnissen in der Pharmakologie und unserer Vertrautheit mit dem einzelnen Patienten einsetzen, um ihm die Schmerzen zu nehmen. Die Informationsweitergabe des Pflegepersonals über Schmerzäußerun-gen des Patienten an den behandelnden Arzt sollte lückenlos sein. Der Arzt ist zu informieren, falls der Patient vor der für die nächste Medikamen-tengabe vorgesehene Zeit Schmerzen bekommt. Wie soll der Arzt, also die Person, welche die Verordnung ändern kann, sonst wissen, dass die ver-ordneten Medikamente nicht ausreichen? 3.3 Die Schmerzeinschätzung, -messung und Dokumentation Schmerz ist das, was der Patient als Schmerz empfindet. Da Schmerz immer subjektiv ist, bedeutet dies, dass die gleiche Verletzung, die gleiche Operation, bei verschiedenen Menschen - abhängig von der Schmerztole-ranz - unterschiedliche Grade des Schmerzempfindens auslösen kann. Jeder Mensch kann nur durch sein ureigenstes Empfinden die Art, den Ort und den Zeitpunkt seines Schmerzes einschätzen. Für uns Pflegende be-deutet dies, auf jede Schmerzäußerung des Patienten einzugehen und diese wichtig zu nehmen, auch wenn wir es als Nicht-Betroffener schlecht nachempfinden können. Faktoren wie kultureller Hintergrund und Geschlechtszugehörigkeit haben in gleichem Maße wie die Schmerzen selbst einen Einfluss darauf, wie Schmerzen ausgedrückt werden. Ein gutes Beispiel ist vielleicht die hinrei-chend bekannte britische unerschütterliche Haltung, die in scharfem Ge-gensatz zu anderen Kulturen steht, in denen ein freierer Gefühlsausdruck erlaubt ist. Uns müssen daher auch die kulturellen Besonderheiten bekannt sein. Streng gläubigen Muslime ist es z.B. untersagt, während des Rama-dans, solange es hell ist, zu essen und zu trinken. In Ausnahmefällen, wie beispielsweise Krankheit, kann der Gläubige vom Fasten befreit werden. Möglicherweise lehnen traditionell gläubige Muslime auch die Einnahme von Schmerzmitteln während des Ramadans tagsüber ab (auch Infusio-nen, Injektionen, Suppositorien o.ä.). In diesem Falle können wir z.B. dem Patienten mit physikalischen Maßnahmen die Schmerzen bis zum Ein-bruch der Dunkelheit erträglicher machen. Die Schmerzen des Patienten müssen als körperliche Beschwerde ernst genommen werden, es darf nicht der Anschein erweckt werden, dass es sich in erster Linie um ein seelisches Problem handeln würde. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Die Patienten müssen den Eindruck vermittelt bekommen, dass sie ganz selbstverständlich um Schmerzmittel bitten können, ohne dass man ihnen damit zu verstehen gibt, dass sie sich unangemessen verhalten bzw. eine Belästigung sind. Sie dürfen nicht das Gefühl haben, von der Pflegeperson als Schwächling oder Simulant eingeschätzt zu werden. Uns fällt es teilweise noch leichter, mit Symptomen umzugehen, die sicht-bar sind und objektiv gemessen werden können, wie z.B. Temperatur oder Blutdruck. Wir sollten uns jedoch auch bewusst sein, dass die Patienten selbst die Tatsache nicht mögen, dass die Schmerzempfindung subjektiv ist. Früher oder später bemerken die meisten Patienten, dass sie ihre Schmerzen nicht beweisen können. Ihre einzige Hoffnung besteht darin, dass sie jemanden finden, der ihnen glaubt. Die Glaubwürdigkeit des Pati-enten steht jedoch nicht zur Debatte und das Behandlungsteam ist nicht zum Richter berufen. Instrumente der systematischen Schmerzmessung und –Dokumentation sind ein Schmerztherapie-Dokumentationsbogen und die visuellen und analogen von uns verwendeten Schmerzskalen. Verbale Äußerungen des Patienten können so leicht in eine objektive Messung umgesetzt werden. Das Schmerzempfinden des Patienten wird mittels Skala in Stufen von 0 bis 10 eingeteilt, wobei Stufe 0 Schmerzfreiheit und Stufe 10 stärkste und unvorstellbare Schmerzen darstellt. Vor dem Gebrauch einer numerischen Schmerzskala zur Selbsteinschätzung muss abgeklärt werden, ob der Pa-tient über das notwendige Abstraktionsverhalten verfügt; ist dies nicht der Fall, muss auf eine visuelle Analogskala (z.B. mit Smileys) zurückgegriffen werden. Die so ermittelten Werte trägt er anschließend in sein Schmerztagebuch ein. Auch wenn die Schmerzmessung allein dem Patient noch keine Analgesie verschafft, ist sie dennoch wichtig, denn auch der Patient hat jetzt ein In-strument, seine Schmerzen verständlich auszudrücken und fühlt sich von uns ernst genommen. Die Verwendung der Schmerzskala ist ebenfalls wichtig zur Ermittlung der individuellen Schmerztoleranz. Es vereinfacht somit auch unsere Doku-mentation. Der Patient, der Arzt und wir können anhand des Schmerztage-buches ermitteln, wo ein Änderungsbedarf der Schmerzmedikation oder anderer Therapien erfolgen muss. Darüber hinaus müssen wir aber noch weiter forschen und herausfinden, wo der Schmerz lokalisiert ist, wie lange er andauert und um welche Art von Schmerzen es sich handelt (Schmerzqualität). Im Idealfall eröffnet die Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Schmerzanamnese dem Team die Grundlage einer genauen Pflegediag-nose und daraus folgend einer adäquaten Schmerztherapie. Zu einer voll-ständigen Schmerzanamnese gehört auch die genaue Erfassung der bis-herigen Therapien. Dadurch erhalten wir Orientierungshilfen über bisherige Therapieerfolge- und Misserfolge. Um die Charakteristika des Schmerzes, welche sich bei jedem Patienten ganz individuell darstellt, zu erfassen, bedienen wir uns der Sammlung von Informationen vom Patienten und/oder der Bezugsperson mit anschließendem Erstellen der Pfle-geanamnese: Wo – gibt die Lokalisation des Schmerzes an; (auch vom Patienten auf die Stelle zeigen lassen). Wann – seine zeitlichen Merkmale; gibt es Situationen, in denen sich die Schmerzintensität verändert? Es wird gefragt, nach dem Zeitpunkt, der Dauer und dem Rhythmus des Schmerzes. Wodurch – seine Genese. Wie – hier soll die Schmerzqualität ermittelt werden. Hilfreich können dabei Adjektive sein wie z.B. bohrend, stechend, stumpf. Was verändert die Schmerzen? Möglicherweise weiß der Patient be-reits aus der Vergangenheit, wie er mit seinen Schmerzen am besten umgehen kann, welche Lagerung er einnehmen muss, damit die Schmerzen erträglich werden, welche eigenen Bewältigungsstrategien hat der Patient? Auswirkung der Schmerzen. Die Pflegekraft muss die verschiedenen Schmerzarten und deren mögliche klinische Relevanz kennen. Eine Pflegeanamnese umfasst mehr als die bloße Feststellung der Schmerzstärke. Die Bezugspflegekraft hat während der Informationssammlung, des Pflegeerstgespräches, die Möglichkeit der intensiven Kranken- und Schmerzbeobachtung, sich mit dem Patienten auseinandersetzen und sich ihm zuzuwenden. Dadurch erfährt der Patient ein ihm entgegengebrachtes Interesse an seinem Befinden. Er fühlt sich wahrgenommen, was der Beziehung und dem Vertrauensverhältnis zwi-schen Bezugspflegekraft und Patient zugute kommt. Durch diese Angaben wird es uns möglich, eine gezielte, individuelle Pflegeplanung unter Be-rücksichtigung der Ressourcen und Wünsche für und mit dem Schmerzpa-tienten zu erstellen. Die Pflegeplanung verstehe ich als ein Hilfsmittel zur individuellen Pflege und nicht als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Auf-grund der ermittelten objektiven und subjektiven Daten setzen wir eine realistische Zielsetzung, planen pflegerische Interventionen, führen sie durch und evaluieren sie. Die Evaluation beinhaltet eine fortlaufende Ein-schätzung und gegebenenfalls eine daraus resultierende Änderung der Pflegemaßnahme, Ressource, des Pflegeproblems und des Pflegeziels. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Pflege wird dann patientenorientiert, wenn der Patient und die Angehörigen in den Pflegeplan mit einbezogen werden. Diese fünf Schritte – Informati-onssammlung mit Pflegeanamnese, Erstellen von Pflegediagnosen (For-mulierung von Ressourcen und Problemen), Pflegeplanung mit Definierung von Prioritäten, Pflegezielen, Evaluationskriterien und Pflegeinterventionen, der Durchführung der Maßnahmen und anschließender Evaluation – wird als Pflegeprozess verstanden. Die einzelnen Schritte stehen dabei in Wechselwirkung und sind zirkulär zu sehen, nicht linear. Einfluss psychosozialer Faktoren auf den Schmerz
Krebserkrankung und Schmerz stehen in einem engen Bedeutungszu-sammenhang. Die Diagnose „Krebs" ist immer noch sehr oft verbunden mit Gedanken an den Tod, an Siechtum und langes Leiden. Besonders der onkologische Patient, der häufig von der Angst vor unbehandelbaren Schmerzen im Krankheitsverlauf beherrscht wird, ist durch das Leiden unter chronischen Schmerzen beeinträchtigt; Angst und Unsicherheit be-einflussen die Schmerzwahrnehmung bei Krebserkrankungen mehr, als bei anderen Erkrankungen. Krebs wird mit Hilflosigkeit, Einsamkeit und Unbe-rechenbarkeit assoziiert. Solche Gedanken und Gefühle verstärken die auftretenden Schmerzen. Die Auswirkung des Schmerzes auf die Aktivität und auf die Lebensfreude sind dann besonders hoch, wenn die Betroffenen die Ursachen im Krebsgeschehen vermuten. Durch den Abbau von Angst können Schmerzen gelindert werden. Wenn wir uns einfach nur zu den Patienten an den Bettrand setzen und mit ihnen sprechen, ihnen Zeit wid-men und ihnen die Möglichkeit geben, Fragen zu stellen, mit denen sie in Gedanken ständig beschäftigt sind, dann hat man bereits einen wichtigen Schritt zum Abbau von Angst geleistet. Der Schmerz beeinflusst jedoch nicht nur den Einzelnen, sondern wirkt sich auch auf die ganze Familie aus. Er beeinflusst sexuelle, intime und affektive Beziehungen. Dies alles bedeutet für uns, dass wir auch die Angehörigen und Bezugspersonen in die Therapie integrieren sollten. Wir können von einer wechselseitigen Bezogenheit des emotionalen Befin-dens und von Schmerz besonders bei Krebserkrankungen ausgehen. Die-se als reaktiv erkannten Störungsbilder wurden bislang vorzugsweise mit Psychopharmaka behandelt. Hier kann Pflege ansetzen und unterstützend therapiebegleitend wirken. Untersuchungen ergaben, dass Schmerzen beim onkologischen Patienten andere Symptome wie Schlaflosigkeit, Obstipation und Übelkeit, aber vor allem auch extreme Formen von Fatigue verstärken oder diese Begleiter- Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie scheinungen sogar auslösen können, die ihrerseits wiederum Einfluss auf die Lebensqualität haben. Es ist daher für uns Pflegende auch wichtig, alle anderen Begleitsymptome zu bekämpfen und präventiv tätig zu werden. Um dies alles zu bewerkstelligen müssen Zeit, Kommunikationsbereitschaft und Empathie an Stelle einer ritualisierten Praxis treten. Eine medizinische Diagnose und die Ansicht der Pflegekraft, wie stark die damit verbundenen Schmerzen aufgrund der Diagnose zu sein haben, eröffnen keinen Zugang zu den Leiden der Patienten. Die Furcht vor dem Unbekannten ist eine der Hauptursachen von Angst. Was für uns Pflegekräfte, die jeden Tag im Krankenhaus Dienst tun, ver-traut ist, ist für den Patienten meist völlig fremd. Dies sollten wir nie aus den Augen verlieren. Wir müssen uns nur einmal darüber bewusst werden, wie oft es vorkommt, dass die Patienten wenig von dem verstehen, was Ärzte und Pflegekräfte ihnen sagen. Wie viele Missverständnisse kann es durch Probleme der Kommunikation geben. Wir müssen bereits in der Ausbildung verstärkt lernen, mit den Patienten zu reden, sie zu informieren und zuzuhören. Dies muss als integraler Bestandteil der Krankenpflege-ausbildung angesehen werden und nicht als schwammiges Konzept, das man nach bestandenem Examen wieder vergessen kann. Qualifizierte Pflegekräfte können dazu beitragen, indem sie mit gutem Beispiel voran-gehen. 5 Pflegerische
Interventionen zur Schmerzreduktion
Sicherlich ist die Behandlung von Tumorschmerzen in erster Linie medi-kamentös geprägt. Dabei gilt oft, dass nur das Symptom, nicht die Ursache behandelt wird. Umfassende Angebote, die als zusätzliche Maßnahmen zu verstehen sind, sollten nicht nur, sondern müssen das therapeutische An-gebot erweitern und aufgrund des vierundzwanzigstündigen Kontaktes zum Patienten weitestgehend im Leistungsspektrum pflegerischer Handlung liegen. Professionelle Pflege ist, wenn wir wissen, was wir tun und warum wir es tun. Dies ist die Voraussetzung, die uns befähigt, jene Entscheidung zu treffen, die im richtigen Moment das Richtige einsetzt. Eine solche Pfle-ge dient dem Leben und betont die Lebensqualität auch dort, wo das Ster-ben unausweichlich zu akzeptieren ist. Bei der Wahl der Maßnahmen ist das Mitentscheiden des Patienten sehr wünschenswert. Die Interventionen sollten vorher aufgrund rechtlicher Bestimmungen mit dem Arzt besprochen werden; dabei gilt häufig, dass alle Maßnahmen die wohl tun und lindern angebracht sind. Jedoch dürfen wir da, wo der Tumor oder die Metastase sitzt, keine besonderen Manipu- Medikamentöse Tumorschmerztherapie lationen, auch keine intensiven Hitze- oder Kälteanwendungen, vorneh-men. Bei akuter Blutungsgefahr oder auf bestrahlter Haut sollten Wickel und Auflagen vermieden werden. Das Schmerzerleben des onkologischen Patienten ist in starkem Maße von den Gefühlen und Gedanken abhängig: Angst, Unsicherheit und eine de-pressive Stimmungslage verstärken den Schmerz, während Gelassenheit, Zuversicht und Hoffnung den Schmerz deutlich verringern. Leicht kann es zu einem Teufelskreis kommen: Angst führt zu Verspannungen der Mus-keln, dadurch verstärkt sich der lokale Schmerzreiz, die Schmerzen gelan-gen schneller ins Bewusstsein, gefolgt von depressiver Verstimmung und wieder: Angst. Wir müssen bereit sein, mit dem Patienten zusammen die am besten ge-eigneten Methoden für ihn zu finden. Genau das ist gemeint, wenn ich von individualisierter Pflege rede. 5.1 Oberflächliche Wärme- und Kälteanwendungen Ich möchte hier Methoden zur Hautstimulation aufzeigen, die wir Pflegen-den zur palliativen Schmerzbehandlung verwenden können. Dies sind Me-thoden, die nur eine oberflächliche Wirkung auf die Haut und das subkuta-ne Fettgewebe haben. Es geht hierbei um oberflächliches Erwärmen und Kühlen, nicht aber um intensive oder tiefgehende Wärmebehandlung wie Ultraschall oder Diathermie. Wir sollten jedoch auch hierbei bedenken, dass oberflächliche Anwendung von Hautstimulation eine indirekte Auswir-kung auf die tieferliegende, gestreifte Muskulatur haben kann sowie auf die weichen Muskeln der viszeralen Organe. Die Richtlinien für eine Wärme- oder Kälteanwendung sind nicht so eindeutig, wie man eigentlich denken könnte. Widersprüchliche Meinungen und Forschungsergebnisse sind viel-leicht teilweise aufgrund der Unterschiede bei den Anwendungsmethoden von Wärme und Kälte entstanden. Die Bestimmung, welche Methode bei einem Patienten an welcher Stelle, wann und wie lange angewandt werden soll, ist meist eine Frage von Versuch und Irrtum. Der Patient sollte beson-ders am Anfang soweit wie möglich selbst die Methode wählen, sofern keine Kontraindikation besteht. Insbesondere ältere Menschen neigen da-zu, die äußerliche Anwendung von Kälte abzulehnen. Häufig assoziieren sie nasskaltes Wetter und Feuchtigkeit damit. Wärme wird in Verbindung mit der Sonne betrachtet und viele verbinden damit etwas angenehmes, wohliges in der Erinnerung. Obwohl diese Methoden ganz einfache Mittel zu sein scheinen, können sie dennoch eine sehr effektive Schmerzlinde-rung erzielen. Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie 5.1.1 Wärmeapplikation
Diese altbewährte Art der Schmerzlinderung hilft bei indirekter Wirkung oft zur Muskelentspannung. Vor der Anwendung muss ein entzündlicher Pro-zess ausgeschlossen werden. Schmerz wird bei der Wärmeapplikation durch Vasodilatation vermindert. Sie erhöht den Blutfluss, dadurch wird die Gewebsversorgung sowie die Reduktion von zellulären Metaboliten, die den Schmerzimpuls stimulieren können, erreicht. Wärme unterstützt diese Wirkung auch durch die Aktivierung der Temperaturrezeptoren; dadurch entstehen schmerzreduzierende Reflexe. Bei Patienten mit unzureichender Zirkulation oder Gewebsschwellungen ist Wärme jedoch kontraindiziert, da erhöhte Temperatur metabolische Prozesse unterstützt. Die Wirkung der Wärmeapplikation (40-45 Grad) ist jedoch nicht so dauer-haft wie die Kälteapplikation, denn das Gewebe verliert die Wärme nach der Entfernung der Wärmequelle ziemlich rasch. Oberflächlich angewandte Wärme erhöht den Metabolismus um das zwei- bis dreifache. Krämpfe der gestreiften Muskulatur werden durch die Behebung einer Ischämie redu-ziert. Die glatte Muskulatur wird entspannt, die Magen- und Darmperistaltik reduziert. Diese Wärmeapplikation kann mittels einer Wärmflasche, mit Rotlicht oder auch in Kombination von Wickel und Auflagen erfolgen. 5.1.2 Kälteapplikation
Durch die Anwendung von Kälte wird die Nervenimpulszeit reduziert, dadurch wird erreicht, dass durch den Kühlungseffekt der Muskel und an-deres Gewebe quasi isoliert wird. Die Vasokonstriktion bleibt etwas länger erhalten als die Vasodilatation. Eismassage ist aus diesem Grund effektiv bei Schmerzen des Skeletts und der Muskulatur (z.B. Knochenmetastasen). Sie sollte nicht angewandt wer-den bei Patienten mit peripheren vaskulären Krankheiten, arterieller Insuffi-zienz, ausgeprägten Herzkrankheiten sowie Kälteintoleranz. Die Anwendung von oberflächlicher Kälte zur Behandlung des Schmerzes wird schon seit Jahrhunderten praktiziert. Durch die Anwendung wird die Lymphproduktion wie auch die Ödemproduktion verringert und folglich auch der Schmerz. Bei der Kältetherapie (3-15Grad) werden entweder gefrorene Gelpackungen direkt auf eine Körperstelle appliziert oder mittels Eiswürfeln vorsichtig massiert, um ein drastisches Abkühlen zu vermeiden. Ebenfalls hat sich das Aufschlagen von gefrorenen grünen Erbsen oder Kirschkernen bewährt. Die Anwendungsdauer sollte patientenorientiert Medikamentöse Tumorschmerztherapie geschehen, aber aus Effektivitätsgründen fünf bis zehn Minuten nicht un-terschreiten. Der Einsatz von Kälte ist eine kostengünstige und oftmals effektive Thera-piemöglichkeit, die wenig pflegerische Zeit kostet und sowohl Patient als auch Angehörigen leicht vermittelt werden kann. 5.2 Aromatherapie Aromen wirken gleichermaßen auf Körper und Seele, also im ganzheitli-chen Sinne. Durch ihre unmittelbaren Wirkungen auf unsere Empfindung und unsere vegetativen Steuermechanismen greifen sie ein in die Regula-tion körperlicher und seelischer Vorgänge. Durch diese beiden Wirkweisen - körperlich und seelisch - eignen sich die ätherischen Öle so hervorragend zur ganzheitlichen Behandlung und Pflege. In der Aromatherapie ist eine genaue Kenntnis der Wirkung, Nebenwirkung und Kontraindikation von ätherischen Ölen Voraussetzung. Ich möchte an dieser Stelle nicht alle uns zur Verfügung stehenden Öle und deren Wir-kungen aufzeigen. Exemplarisch sei jedoch das Lavendelöl herausgegrif-fen, ein Öl mit einem weiten Wirkungsspektrum. So kann es dazu helfen, im seelischen Bereich extreme Situationen auszugleichen und das innere Gleichgewicht wiederzufinden. Es wirkt zugleich anregend wie beruhigend, eine scheinbar paradoxe Wirkung. Im physischen Bereich wirkt es antisep-tisch, wundheilend, schmerzlindernd, krampflösend. Dazu harmoniert es mit fast allen anderen Ölen. Die Anwendungsbereiche der Aromen (ätherische Öle) erstrecken sich auf die Ganzkörperwaschung, Einreibungen, Wickel und Auflagen, Duftlampe und ASE (s.u., 5.5). Dabei gilt natürlich: wenn ein Patient einen Duft nicht mag, darf er auch nicht verwendet werden. Der Patient bekommt durch diese Maßnahmen besondere Zuwendung, so dass er das Gefühl hat, gut aufgehoben und umsorgt zu sein. Die Wahl des richtigen Öls ist daher nur ein Aspekt der Pflegemaßnahme. Fast wichtiger als das Was ist das Wie der Anwendung. Ein lieblos aufgetragenes Aromaöl, ein abweisend verab-reichter Wickel, eine kommentarlos angeknipste Verdunsterlampe oder ein ebenso auf den Nachttisch gestellter Tee sind oft wirkungslos. Pflege ist Beziehung, und Beziehung hat etwas mit Zuwendung zu tun. Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie 5.3 Wickel und Auflagen Oft werden Erinnerungen an einen Geruch verknüpft. Wenn der Patient einen Duft nicht mag, so darf er auch nicht zur Therapie verwendet wer-den. Dies gilt auch für die Anwendung von Auflagen und Wickel. Bei dieser Pflegeintervention habe ich einerseits die Möglichkeit, das ent-sprechende Organ gezielt zu unterstützen, gleichzeitig erhält der Patient dadurch eine wenig invasive Anwendung kombiniert mit Zuwendung. Es werden neben der somatischen Wahrnehmung auch noch andere Sinne gefördert. Am häufigsten verwenden wir zur Schmerzreduktion folgende Öle: Lavendelöl, Teebaumöl, daneben aber auch Fenchelöl, das stark ent-blähend wirkt; sein Hauptbestandteil ist das Anethol, das krampflösend und entspannend wirkt. Schafgarbe selbst hat eine schmerzlindernde Wirkung. Bei der Verwendung von Schafgarbe muss jedoch zuvor ein Extrakt aus den Blättern hergestellt werden; Schafgarbe kann gut mit Wickeln kombi-niert werden. Bewährt hat sich auch die reizlindernde Quarkauflage auf die entzündete Vene nach einer Zytostatika-Infusion. Selbstverständlich sind Wickel und Auflagen dann nicht angebracht, wenn die dazu nötigen Bewe-gungen und das Umlagern zu viel Stress verursachen würden. Bei der therapeutischen Behandlung mit Auflagen und Wickeln sollte die Kontinuität bedacht werden, das heißt: wenn man bei einem Patient mit Auflagen oder Wickel beginnt, so sollten diese über mindestens fünf Tage täglich einmal durchgeführt werden. Sie sind unwirksam, wenn sie an ei-nem Tag zwei mal aufgelegt wurden, weil an diesem Tag Zeit dazu war, am nächsten Tag jedoch gar keine, da wenig Zeit verblieb. Die Zuwendung, Nähe und Berührung mit der das Anlegen eines Wickels zwangsläufig verbunden ist, bringt vielen Patienten ein Wohlgefühl, Ent-spannung, das Gefühl von Vertrauen („es wird etwas getan, die Schmerzen werden ernst genommen") und Geborgenheit. Wir haben festgestellt, dass die Patienten oft ganz erleichtert reagieren, wenn sie in dem anonymen, von vielen Maschinen beherrschten und be-ängstigenden Krankenhausbetrieb einen bekannten, angenehmen Duft antreffen. Warum sollen wir diesen Effekt nicht begrüßen, wohl wissend, dass die Psyche durchaus das Immunsystem günstig beeinflussen kann. 5.4 Massagen Medikamentöse Tumorschmerztherapie Die Massage lindert Schmerzen, vielleicht hauptsächlich durch die Ent-spannung der Muskeln. Zunächst führt der mechanische Druck dazu, dass die Zirkulation in den oberflächlichen venösen und lymphatischen Gefäßen erhöht wird und dadurch Ödeme reduziert werden können. Es versteht sich von selbst, dass bei offenen Wunden oder wenn der Patient angibt, dass durch die Massage der Schmerz erhöht wird, darauf verzichtet werden soll. Sie sollte ebenso nicht in Gebieten durchgeführt werden, an denen sich Metastasen angesiedelt haben, z.B. an der Wirbelsäule. Massage kann sowohl oberflächlich, tief oder per Vibration eingesetzt werden. Oft empfin-den Patienten die oberflächliche Massage des Rückens, des Nackens, der Hände und der Füße entspannend, wohltuend und schmerzlindernd. Die Massage wird von fast allen, die massiert wurden, subjektiv als angenehm empfunden. Massage kann auf vielfältige Weise angewandt werden. Eine oberflächliche Massage kann einfach als eine berührende Technik, oder in Kombination mit Präparaten wie ätherischen Ölen, durchgeführt werden. Die Atmung ist bei Patienten mit Schmerzen häufig gestört. Bei der ASE handelt es sich um eine rhythmische, mit unterschiedlichem Händedruck arbeitende Einreibung zur Atemtherapie im Brust- oder Rückenbereich. Durch sich angleichende Atemrhythmen entsteht zwischen dem Patient und der Pflegekraft ein kommunikativer Prozess, der sehr viel Nähe, Ent-spannung und Sicherheit vermitteln kann. Eine Untersuchung von Irene Pfister (1994) über die atemstimulierende Einreibung bei Patienten mit akuter Leukämie ergab, dass sich die Patien-ten, die sich in Umkehrisolation befanden und dadurch sehr eingeschränkt und belastet waren, durch die ASE entspannter, nicht mehr so verkrampft und allgemein wohler fühlten. Zu diesem Ergebnis kommen wir auch , wenn wir Schmerzpatienten nach der Wirkung der ASE befragen . Es ist bewiesen, dass dadurch auch Verwirrtheitszustände reduziert wurden. Die vertiefte Atmung kann zusätzliche psychosomatische Spannungen lösen, was zu körperlicher und geistiger Entspannung führen kann. Diese Ent-spannung hat auch Einfluss auf den Schlaf und besitzt daneben den Effekt der Pneumonieprophylaxe. Eine abendliche ASE mit W/O-Lotion (ggf. zu-sätzlich 2 Tropfen Lavendelöl) und die dadurch vermittelte Zuwendung zum Patienten führt zu mehr Ruhe und Entspannung - auch durch den nachfol-gend verströmenden Duft des Lavendelöls. 5.6 Ablenkung Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Ablenkung ist eine Art sensorische Abschirmung, bei der der Patient seine Aufmerksamkeit auf andere externe Stimuli lenkt (auditive, visuelle, taktil-haptische Reize). Die Aufmerksamkeit gegenüber Schmerzen wird damit umgewandelt zur Aufmerksamkeit gegenüber anderen Reizen. Das Ziel der Ablenkung ist die Erhöhung der Schmerztoleranz, die Wahrnehmung von Selbstkontrolle sowie eine Reduzierung der Schmerzintensität. Der Schmerz wird an den Rand des Bewusstseins gedrängt. Auch das Lachen und therapeutischer Humor ist eine Form der Ablenkung. Es muss bedacht werden, wie unendlich langweilig und monoton es für viele Patienten im Krankenhaus ist, insbesondere für bettlägerige Patien-ten. Ablenkung kann z.B. durch Einschalten des Fernsehers geschehen. Warum muss es in vielen Krankenzimmern noch üblich sein (oder wieder üblich), dass Wände und Decken weiß und bilderlos sein müssen? Warum kann die Bettwäsche nicht gelb, grün oder blau sein? Im therapeutischen Sinne liegt dies sicherlich nicht. 5.7 Musik in der onkologischen Pflege Fast jeder Mensch erfährt Musik als Bereicherung des Lebens, als Ge-meinschaftserlebnis oder als Mittel zum Entspannen und Träumen. Wo sie bewusst in die Arbeit mit Krebskranken eingesetzt wird, bekommt sie auch einen therapeutischen Wert. Ziele dabei sind die Förderung der nonverba-len Kommunikation und die Ablenkung. Um aus dem Teufelskreis chroni-scher Schmerzen auszubrechen, werden durch eine veränderte Schmerzwahrnehmung Ängste und Depressionen gemildert. Die angebotene Musik sollte der Patient selbst aussuchen können; sie sollte nicht als Berieselung aus einem Lautsprecher kommen, sondern bewusst eingesetzt werden. Bei vielen Patienten kann während der Musikeinspielungen ein Abfall der Herzfrequenz und/oder ein gleichmäßiger, tiefer Atemrhythmus beobachtet werden, was ein Zeichen der inneren Entspannung und Schmerzlinderung sein kann. Völlig falsch scheint es mir, Patienten in extremen Stresssituationen oder Schmerzsituationen zusätzlich mit Musik aus der Retorte zu bombardieren. Erst wenn sich der Kranke in einem gewissen stabilen Allgemeinzustand befindet, kann mit der Musiktherapie angefangen werden. Falls Patienten nicht in der Lage sind, Musikstücke selbst auszuwählen, kann dies auch eine Bezugsperson sein, die den Patienten und seine Art des Musikerlebens sehr gut kennt. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Beim komatös wirkenden Patienten empfehlen Christel Bienstein und An-dreas Fröhlich die Kopfhörer des Walkmans nicht aufzusetzen, sondern neben den Patienten zu legen, um ihm so die Möglichkeit zu geben den Kopf zu drehen oder seine Ohren zu „verschließen". Das Abspielen von Musik sollte sich auf zwei leise eingestellte Musikstücke beschränken, um eine Reizüberflutung zu verhindern. 5.8 Transkutane elektrische Nervenstimulation (TENS) Die TENS wird vom Arzt verordnet, die Behandlung aber meist von Physio-therapeuten oder einer erfahrenen Pflegekraft durchgeführt, die in der Verwendung der TENS ausgebildet wurde. Sie ist sowohl stationär als auch in der ambulanten Schmerztherapie gut durchführbar. Die TENS ist eine Methode, bei der eine kontrollierte, niedrige elektrische Reizung auf die Körperoberfläche mittels Elektroden angewandt wird. Die Empfindung, die Patienten bei einer TENS haben, wird im allgemeinen als kribbelnd, vibrierend oder pulsierend beschrieben. Manchmal wird aber auch über Unbehagen berichtet. Eine TENS-Stimulation kann konstant oder intermittierend sein. Es handelt sich um eine sichere, nicht-invasive Methode der Schmerzlinderung. Die Erfolgsrate der TENS schwankt. Der Erfolg der TENS hängt weitgehend von der Kompetenz desjenigen ab, der sie appliziert. Die Mechanismen, die der Effektivität einer TENS bei der Schmerzlinderung unterliegen, sind unklar. Einige Arten der TENS schei-nen Schmerzen zumindest zum Teil durch eine Steigerung des Endorphin-spiegels zu lindern. Die TENS ist im Vergleich zu den oben genannten Methoden deutlich teurer, weniger häufig durchführbar und zeitaufwendi-ger, wenn sie Pflegenden und Patienten erklärt werden soll. Sie ist jedoch durch mehr Forschung abgesichert und daher von vielen als „wissenschaft-licher" angesehen. Auch bei der TENS gilt: sie ist indiziert, wenn sie dem Patienten subjektiv hilft. 5.9 Sonstige Therapien Durch bewusstes Entspannen, Ablenken der Aufmerksamkeit, angenehme Phantasieerlebnisse oder Übungen mit bestimmten Vorstellungsbildern kann die Schmerz-Angst-Spirale in der umgekehrten Richtung durchlaufen werden. Es gibt dafür auch eine Reihe von Methoden, die unter Anleitung rasch von den Patienten erlernt werden können. Dazu zählen unter ande-rem Entspannungsverfahren (z.B. autogenes Training, progressive Muskel-relaxation), gelenkte Imagination (z.B. nach Simonton), Hypnose, Biofeed- Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie back oder Schmerzbewältigungsverfahren. Sie bewirken in unterschiedli-chem Maße Veränderungen bei der Schmerzwahrnehmung, beim Schmerzerleben und der Schmerzkontrolle. Ebenso kann Akupunktur und Akupressur zur Schmerzlinderung eingesetzt werden. 6 Schmerzbehandlung
Obwohl in den letzten Jahren durch zahlreiche wissenschaftliche Untersu-chungen zur Diagnostik und Therapie von Schmerzsyndromen maligner Genese große Fortschritte erzielt wurden, liegen nur wenige Forschungs-arbeiten zur Schmerzbehandlung im Alter vor. Gerade bei älteren Patien-ten mit schwerwiegenden Begleiterkrankungen kann es zu dramatischen Komplikationen durch Interaktion bei vorbestehenden Erkrankungen wie Hypertonie, Diabetes mellitus, Gicht, Niereninsuffizienz und gastrointesti-nalen Erkrankungen kommen. Oftmals bedeutet die Diagnose „Krebs" eine Addition zu bereits bestehenden Erkrankungen. Ein weiterer Grund für die Notwendigkeit verstärkter Auseinandersetzung mit dem Thema liegt in der demographischen Entwicklung in der Bundes-republik. Mit zunehmendem Alter steigt das Risiko, an einem Tumorleiden zu erkranken deutlich an. Krebs gilt als Todesursache Nummer zwei. Tu-morschmerzen sind beim geriatrischen Patienten ein immer häufiger anzu-treffendes Problem. Das Vorgehen zur Tumordiagnostik und -Therapie liegt meist im ethischen Entscheiden des Arztes. Auftretende Schmerzen müs-sen wie bei allen anderen Altersgruppen entsprechend behandelt werden. Bei der Wahl der Therapie ist jedoch zu bedenken, dass der alte Mensch häufig mit einem bösartigen Tumor stirbt, nicht unbedingt an einem bösar-tigen Tumor. Ältere Menschen streben im Gegensatz zu jüngeren nicht ein längeres Leben um jeden Preis an. Die spirituelle Entscheidung des Pati-enten zu Leben und Tod muss in der individuellen Therapie und somit auch der Schmerztherapie berücksichtigt werden. Vor dem Hintergrund dieser Überlegungen gewinnen symptomatische palliative Maßnahmen eine grö-ßere Bedeutung gegenüber invasivemmedizinischen Vorgehen. In der Schmerztherapie spielt das Wissen um die altersphysiologischen Veränderungen eine große Rolle. Die relative Zunahme des Körperfettge-webes kann bei der Verabreichung fettlöslicher Analgetika, (z.B. Fentanyl, Dolantin) zu einer verzögerten Wirkung führen. Im Alter vermindert sich das Gesamtkörperwasser. Die Applikation wasserlöslicher Analgetika (Morphin) führt daher zu einer größeren Wirkung. Daher ist es wichtig, die unterschiedlichen Reaktionen auf Analgetika zu verstehen. Medikamentöse Tumorschmerztherapie Die Pflege des Menschen beruht nicht nur auf pflegerischen Verrichtungen und Fertigkeiten, sondern beinhaltet eine ganzheitliche Sicht, die den Pati-enten und seine Bezugspersonen als „Ganzes" wahrnimmt. 6.1 Umgang mit wahrnehmungsgestörten Schmerzpatienten Wie aber gehen wir mit Patienten um, die verwirrt sind oder sich nicht ver-bal mit uns verständigen können? Die Kommunikationsfähigkeit älterer Patienten kann auch durch Schwerhörigkeit und Fehlsichtigkeit beeinträch-tigt sein. Welche Möglichkeiten haben wir, Schmerzen zu beurteilen? Wir Pflegenden müssen diesen Patienten, der unter Schmerzen leidet, sehr gut beobachten. Dabei spielen die körperlichen Bewegungen und der Gesichtsausdruck eine wichtige Rolle. Allerdings bedeutet das Fehlen ei-nes gequälten Gesichtsausdrucks bzw. einer gebeugten Körperhaltung nicht, dass der Patient keine Schmerzen hat. Vielleicht verfügt er ganz einfach über Strategien (Coping), um den Schmerz zu verbergen oder sich abzulenken. Die Familienangehörigen können bei der Interpretation der Verhaltensmuster nützliche Hinweise geben. Die Atemfrequenz, die Puls-geschwindigkeit und der Blutdruck können insbesondere bei akuten Schmerzen Indikatoren sein. 6.2 Basale Stimulation als Möglichkeit der Wahrnehmungs-förderung Sind Menschen zum Beispiel durch starke Schmerzen in ihrer somatischen Wahrnehmung eingeschränkt, kann es zu Fehlinterpretationen der Realität, zu sogenannten verwirrten Verhaltensweisen und einer Zunahme der Angst kommen. Wenn ein Patient nicht reagiert, so heißt das nicht notwen-digerweise, dass er Reize wie z.B. Schmerzen nicht wahrnimmt. Mag ein Patient auch noch so wenig ansprechbar erscheinen, kann man niemals genau wissen, wieviel er wahrnimmt und wieviel Schmerzen er infolgedes-sen empfindet. Basal stimulierende Pflege wird deshalb auf unserer Station unter anderem angewandt bei Patienten in besonderen Krisensituationen wie z.B. starken Schmerzen, sowie bei Verwirrtheitszuständen, die auch Folge einer Reak-tion auf Schmerzmittel sein können. Sie findet jedoch auch in der Pflege Sterbender sowie bei somnolenten und komatösen Patienten statt. Patien-ten erhalten durch die Basale Stimulation eine Stabilisierung der psycho-emotionalen Empfindlichkeit und insgesamt eine verbesserte Koordination und Wachheit. Ängste werden gemindert, es entsteht ein Vertrauensver- Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie hältnis zwischen Patient und Pflegenden. Die Basale Stimulation ist keine zusätzliche, sondern eine andere Art der Pflege. Die somatische Wahrnehmung lässt uns Empfindungen von der Körper- Kommentar [W1]:
oberfläche und aus dem Körperinneren erleben. Der somatische Schmerz, wie er beim onkologischen Patienten am häufigsten vorkommt, wird dabei über spezifische Rezeptoren aufgenommen und weitergeleitet ( Nozizepti-on über Chemorezeptoren). 6.2.1 Pflegeverständnis
Die basal stimulierende Pflege erfordert eine ganzheitliche Sichtweise, die den Patienten als gleichwertigen Mitmenschen betrachtet und seine Be-findlichkeit im Erleben der Krankheit mit einbezieht. Gleichwertig bedeutet hierbei, den Patienten so zu akzeptieren wie er ist. Basale Stimulation kann nicht ärztlich angeordnet werden. Sie ist nicht die Summe einzelner Maßnahmen und beschränkt sich auch nicht auf eine Uhrzeit. Sie entwi-ckelt sich aus der Beziehung zwischen Patient und Pflegenden und ist hoch individualisiert. Wir führen keine Maßnahme am Patienten durch, sondern entwickeln die Pflege mit ihm gemeinsam. Pflege ist dabei Basis zur Kommunikation. Wir wählen hierzu eine Kommunikationsform, die der Patient wahrnehmen und verarbeiten kann. Diese häufig nonverbale Kom-munikation kann sich nur in einer entsprechenden Beziehungsqualität ent-wickeln. Die Basale Stimulation versteht sich als eine integrierende Pflege, die anbietet und Ablehnung akzeptiert. Im Patienten wird dabei immer die Fähigkeit zum Erleben und das elementare Bedürfnis nach Ausdruck und Kommunikation gesehen und gefördert. Diese Art des Umgangs mit dem Patienten gilt auch für die Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen und im Team. Mit dem Verständnis, dem Respekt und der Akzeptanz an-derer Berufsgruppen ist es uns möglich, diese Art der Pflege durchzufüh-ren. Die Basale Stimulation ist eine ganzheitliche, patientenorientierte Pflege, die viel Phantasie und Flexibilität von uns Pflegekräften erfordert, da wir uns hierbei oft von den angelernten Pflegemustern lösen, um dem Patien-ten eine individuelle, seinen Bedürfnissen angepasste und teilweise auch noch unkonventionelle Pflege anbieten zu können. 6.2.2 Berührungen
Berührungen werden besonders intensiv wahrgenommen, wenn der Pati-ent Sprache und Gestik nicht mehr verstehen kann. Berührungen können Medikamentöse Tumorschmerztherapie Trauer aushalten oder Trost spenden. Sie können angstmindernd und so-mit schmerzreduzierend sein, bei falscher Ausführung aber auch im umge-kehrten Sinne wirken. Berühren ist in der Pflege eines der wirksamsten Kommunikationsmittel von Pflegeperson zu Patient. Es ist gleichzeitig auch das intimste Mittel, denn Berührung erreicht den ganzen Menschen. Hände haben eine große Wahrnehmungsfähigkeit und die Fähigkeit, sehr differenzierte Handlungen auszuführen. Die Hände der Pflegenden sind eines der wichtigsten Instru-mente aktiver Kommunikation und ein wichtiges Ausdrucksmittel emotiona-ler Zustände. Durch den körperlichen Kontakt werden auch die seelisch-geistigen Bereiche angesprochen. Patienten reagieren immer auf Berüh-rungen. Eine gute Berührung ist weniger eine Frage des „Zeithabens", als vielmehr der Anteilnahme und der Aufmerksamkeit. Berührungen sind eine Form der Kommunikation, eine Art Sprache ohne Worte, bei der das wie und nicht das was entscheidend ist. Zu schnelle und flüchtige Berührungen verunsichern oder verwirren. Der Patient kann dann nicht verstehen, welchen Sinn und Gehalt eine Berührung hat. Ein lieb gemeintes Streicheln kann dabei bereits als Bedrohung aufgefasst wer-den. Gerade wahrnehmungsgestörte Patienten sollten immer klar, flächig und eindeutig berührt werden. Die Wirkung der Berührung wird je nach Ablauf verschieden sein. Ist der Bewegungsfluss der berührenden Hand langsam und horizontal, hat das eine beruhigende Wirkung. Kräftige Berührungen stimulieren, sanfte Be-rührungen entspannen. Schaukelbewegungen wie z.B. das Wiegen fördern zusätzlich die Aufmerksamkeit. 6.2.3 Initialberührung
Der Patient nimmt in der Regel seine Umgebung über das Gehör wahr. Wenn die verbale Kommunikation gestört ist, kann er die Erfahrung ma-chen, dass er plötzlich angefasst wird; er kann sich dabei nicht auf unan-genehme oder schmerzhafte Berührungen vorbereiten. Diese Situation bedeutet für den Betroffenen eine erhebliche Stresssituation, da er sich nie richtig entspannen kann; er reagiert folge dessen vielleicht auch aggressiv auf die unvorbereitete Berührung. Eine andere Möglichkeit des Patienten auf diesen Umgang mit ihm zu reagieren, ist das Entwickeln von Spastiken als äußeres erkennbares Zeichen seiner inneren Abwehrspannung. Ist ein Weglaufen und Verstecken seinerseits nicht möglich, wird der Körper des Menschen sich zusammenziehen und verkrampfen. „Erstarrte" Menschen sind meist Menschen, denen man die Möglichkeit genommen hat, ihren Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Lebensraum zu schützen. Durch viel Zuwendung, Schaffung von Vertrauen und Ausstreichungen der betroffenen Gebiete ist es uns jedoch schon öf-ters gelungen, diese Anspannungen zu lösen und den Patienten in eine entspannte, lockere Position zu bringen. Wird nicht in dem Maße auf den Menschen eingegangen, wie er es braucht, so kann es durch Zunahme der Verspannungen zu vermehrten Schmerzen und damit auch zu Fehlinter-pretationen seines Verhaltens kommen. Wenn der Patient jedoch lernt, dass nur etwas an ihm gemacht wird, wenn er vorher z.B. an der rechten Schulter berührt wird, so gewinnt er an Sicherheit, kann seinen Stress re-duzieren und sich entspannen. Zu Beginn und zum Abschluss jeder Maß-nahme wird der Patient klar und eindeutig berührt. Der Bereich der Initial-berührung wird vorher festgelegt, möglichst im Einbezug der Angehörigen. Als Bereiche eignen sich erfahrungsgemäß körperstammnahe Gebiete wie Schulter und Arme. Über das Bett wird dann ein Infoblatt mit dem Hinweis „Initialberührung rechte Schulter" gehängt, damit jeder (Pflegekraft, Physio-therapeut, Arzt, Angehörige) diese Stelle zur Begrüßung und Verabschie-dung beim Patienten wählt. 6.2.4 Die beruhigende Waschung
In der Ganzkörperwaschung ist es besonders wichtig, sich an den persön-lichen Gewohnheiten des Patienten zu orientieren. Wir begeben uns dabei auf die Ebene des Patienten, die sich bei wahr-nehmungsgestörten Patienten auf elementare Inhalte bezieht: sich selbst erleben, die Grenzen des Körpers erspüren. Die Waschrichtung ist bei Schmerzpatienten immer mit der Haarwuchsrichtung. Denken wir einmal an ein Baby das schreit, weil es Schmerzen hat. Wenn wir dem Baby über den Kopf streichen, so geschieht das automatisch mit der Haarwuchsrich-tung, also beruhigend. Wir kämen kaum auf die Idee, in diesem Moment entgegen der Haarwuchsrichtung zu streichen. Interessant sind hier auch die Männer mit Bart. In Stresssituationen fahren sie mit ihren Händen ent-lang dem Bartwuchs, wenn sie müde sind, entgegen der Richtung. Diese Erkenntnis können wir uns bei der Körperwäsche von Schmerzpatienten zu nutze machen, indem wir eine beruhigende Waschung (ggf. mit dem Lieb-lingsduft des Patienten) durchführen. Dabei tritt der Reinigungscharakter in den Hintergrund. 6.2.5 Die Lagerung
Durch die Lagerung von pflegebedürftigen Patienten haben wir Pflegenden
die Möglichkeit, bestehende oder zusätzliche Schmerzen zu lindern bzw.
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Medikamentöse Tumorschmerztherapie zu vermeiden. Wir versuchen unsere Patienten so zu lagern, indem wir sie ihre Lieblingsposition im Bett einnehmen lassen, ggf. fragen wir vorher die Angehörigen. Die auf dem Rücken liegende Position macht insbesondere den Schmerz-patienten mit mangelnder Eigenbewegung passiv und schutzlos. Daher falten wir ihm, wenn er in dieser Position gelagert wird, häufig die Hände auf dem Bauch. Eine andere Möglichkeit ist, ihm die Beine übereinander zu schlagen oder ihm ein Schmusekissen in den Arm zu geben. Dies gibt ein Gefühl der Sicherheit und der Geborgenheit. Eine weitere Lagerungsart, die das Körperbewusstsein unterstützt, ist die umgrenzende Lagerung. Hierbei werden zwei Decken an den Körperseiten des Patienten umgrenzend anmodelliert, die Deckenenden kreuzen sich unter dem Kopf. Diese Lagerung hat einen schützenden „Nestcharakter"; die anliegenden Decken bewirken bei kleinen Eigenbewegungen eine Rückmeldung über die körperlichen Grenzen. Wir haben es oft erlebt, dass Patienten, die so gelagert wurden, körperliche Unruhe zeigten, wenn sie wieder „normal" gelagert wurden. Dieser Unruhezustand besserte sich spontan, wenn wieder ein Nest gebaut wurde. Eine weiche Lagerung, z.B. auf Spezialmatratzen, reduziert schneller und stärker das Körperbewusstsein als eine harte Lagerung; ebenso kommt es auf Superweichmatratzen eher zu Wahrnehmungsstörungen. Wenn wir es also pflegerisch vertreten können, lagern wir Patienten auf harten Matrat-zen in etwa 2-stündlichem Positionswechsel, aber auch durch häufige Mik-rolagerungen. Aspekte der Palliativpflege
Palliativmedizin und Palliativpflege ist die Behandlung von Patienten mit einer unheilbaren, weit fortgeschrittenen Erkrankung und einer stark be-grenzten Lebenserwartung. Das Hauptziel der Pflege ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität. Daraus ergibt sich ein individueller, auf den Patienten und seine Angehörigen ausgerichteter Pflegeplan. Im palliativen Arbeitsbereich haben wir es häufig mit Menschen zu tun, denen kein spätes, ruhiges Sterben vergönnt ist, sondern die sich mit heftigsten Schmerzen und anderen schweren Symptomen bis zum unabänderlichen Tod quälen. Schmerztherapie ist nicht nur die hohe Kunst der Pharmakotherapie und der Abgabe von Heil- und Hilfsmitteln; sie ist mindestens ebensodie Kunst der Psychotherapie, der Umgebungsgestaltung, des Aufgehobenseins, Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie eben des Palliums. Die Umgebung und wie der Patient seine Situation empfindet, beeinflusst auch die Schmerzempfindung. Grundlage dafür ist der Abbau von Angst und die Erhaltung der Hoffnung. Hoffnung lässt Schmerzen besser ertragen. Nie darf ausgesprochen werden:„ ich kann nichts mehr für Sie tun". Dieses Alleingelassensein lässt die Angst, auch die Angst des alten Menschen, ins Unermessliche wachsen. Die Palliativ-pflege kann trotz breiter werdender Akzeptanz im Blick auf die Symptom-kontrolle, Schmerzkontrolle, Gesprächsbereitschaft und Pflegeinterventio-nen nicht umhin, dass die Erkenntnis, letztendlich nichts mehr „tun" zu können, immer noch gilt, wenngleich die Trennmarke sehr viel weiter nach hinten verschoben worden ist. Pflegende, Ärzte, Seelsorger und Psycholo-gen stehen machtlos an dieser Schwelle, oftmals ohne Antwort, und fühlen allzu häufig die Hilflosigkeit. Es kann gut sein, dass wir die Schmerzen des Patienten zwar lindern können, seine Angst vor dem Sterben aber unge-mindert fortbesteht. Erst durch ein Zusammenspiel von Hilfe und Hilflosig-keit entsteht die Spannung, die die Palliativpflege zu dem gemacht hat, was sie heute ist. Ohne Hilflosigkeit in der kurativen Medizin gäbe es heute keine Palliativmedizin. Ohne Hilflosigkeit in der Pflege keine Kreativität und Flexibilität. Die Hilflosigkeit ist das, was uns in Bewegung hält und uns zum Ausprobieren neuer Techniken herausfordert. Palliativpflege setzt daher höchste professionelle Ansprüche sowohl in Wissen wie in Menschlichkeit voraus. Eine gesunde professionelle Distanz ist dabei unabdingbar. In der Palliativpflege wird der Mensch mit seinen quälenden Symptomen behandelt und nicht der Tumor. Wir müssen uns klar machen, dass wir nicht nur für jene Patienten da sein sollten, bei denen die Möglichkeit einer Heilung besteht. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht aus Begleitung bis zum Tod. Gerade der sterbende Patient mit Tumorschmerzen hat ein Recht auf eine adäquate, gut überlegte Schmerztherapie. Der Patient kann in der Endphase seines Lebens unruhig sein und mit körperlichen, nonver-balen Reaktionen, z.B. mit Zucken oder Stöhnen zeigen, dass er unter Schmerzen leidet. Schmerzbehandlung ist auch zu diesem Zeitpunkt wich-tig. Ungenügende Schmerzkontrolle verursacht zusätzlich Unsicherheit und Angst auch bei den Angehörigen. Für die Familienangehörigen bedeutet dies eine zusätzliche, schwere Belastung und bleibt als intensive negative Erinnerung des Krankheitsverlaufes im Gedächtnis haften. Wichtig ist, dem Patienten die Lebensqualität bis zum Sterben zu erhalten und ihn während der terminalen Phase richtig zu begleiten. Die Sterbebegleitung, nicht die aktive Sterbehilfe , steht im Mittelpunkt des Palliativgedankens. Medikamentöse Tumorschmerztherapie
8 Kritische
Das Zusammenspiel von körperlichen, psychologischen, persönlichen, kulturellen sowie umgebungsbedingten Faktoren, welche die Schmerzer-fahrung eines Menschenbestimmen, ist derartig komplex, dass kein Mensch wirklich wissen kann, was ein anderer Mensch, nämlich der Pati-ent, empfindet. Die immer noch anzutreffende Praxis der Verabreichung von Schmerzmedikamenten in Abhängigkeit von der Grunderkrankung oder Operation steht im Widerspruch zu der individualisierten Pflege und Therapie die wir zu leisten vorgeben. Wir Pflegenden stehen jedoch auch oft in einem ethischen Dilemma, wenn es nicht genügend Personal für die individuelle Pflege aller Patienten gibt, insbesondere wenn viele Patienten da sind, die eine intensive Pflege benö-tigen. Es scheint ungerecht, wenn nicht alle Patienten, die aktivierend för-dernde Pflege benötigen, auch diese Pflegequalität bekommen. Die Ar-beitszeit der Pflegekräfte stellt eine Ressource dar. Die professionelle Ent-scheidung, welche Pflege erbracht und welche weggelassen wird, macht grundlegende ethische Überlegungen notwendig. Die Integration der pfle-getherapeutischen Interventionen in das Behandlungsangebot von Schmerzpatienten in deren Alltag kann aber nur dann erfolgen, wenn wir Pflegenden diese Notwendigkeit erkannt haben und uns die notwendigen Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen. Das ewige Problem des Zeitmangels wird häufig als Ursache für die unge-nügende Pflege des Tumorschmerzpatienten genannt. Bei dem heutigen Personalmangel ist dies sicher teilweise berechtigt. Oft geht man deswe-gen mit einem unguten Gefühl nach Hause. Ein Faktor kann hier die man-gelnde Flexibilität der Pflegenden sein. Wenn die Qualität der Pflege ver-bessert werden soll, müssen wir die professionellen, ureigensten Aspekte der Pflege viel stärker in den Vordergrund rücken als die Arbeiten, die auch von einem Laien durchgeführt werden können (wie z.B. Bettenmachen oder Nachtschränke reinigen ). Aber würden diese so gewonnenen Minu-ten dann auch wirklich dem Patienten zugute kommen? Die für ritualisierte Routinearbeiten aufgewendete Zeit könnte dazu benutzt werden, die Pati-enten zu informieren und ihre Fragen zu beantworten. Dies würde helfen, ihre Ängste und Sorgen abzubauen und damit auch ihre Schmerzen zu reduzieren. Die Zeit wird sinnvoller genutzt, wenn wir eine Beziehung zum Patienten aufbauen, anstatt Betten und Schränke zu reinigen. Es ist zu hoffen, dass Reformansätze in der Pflege Pflegekräfte hervorbringen wird, die fähig sind zu erkennen, wie wichtig die Kommunikation mit den Patien-ten ist, und die ihre Idealvorstellungen auch in die Praxis umsetzen kön-nen. Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie Das Ausmaß emotionaler Beteiligung und Belastung für das Pflegeperso-nal wird bisher oft noch unterschätzt. Die permanente Konfrontation mit Schwerkranken macht häufig unsicher, hilflos und traurig. Es geht in der onkologischen Pflege daher auch um die Selbstpflege von uns Pflegenden. Wir müssen auch für uns und unser Pflegeteam individuelle Konzepte und Strategien zur Bewältigung finden, sowie eine Burn-Out-Prophylaxe betrei-ben. Dies kann zur Steigerung der fachlichen Kompetenz sowie des Selbstbewusstseins beitragen. Je mehr professionelle Kompetenz eine Pflegekraft besitzt, desto besser wird sie in der Lage sein, ihre Möglichkei-ten und Fähigkeiten zu nutzen und auch die Grenzen ihrer Belastbarkeit erkennen und akzeptieren. Uns sind Möglichkeiten gegeben, nichtpharmakologische, aber wirksame Techniken in die tägliche Praxis umzusetzen. Hierdurch wird nicht nur die pflegerische Qualität erhöht und Transparenz unserer Leistung geschaffen, sondern darüber hinaus den Patienten die Chance gegeben, teilweise ei-genverantwortlich im Sinne der Selbstpflegekompetenz zu handeln. Die immer größer werdende Zahl an Tumorpatienten und damit auch an Schmerzpatienten rechtfertigt und erfordert, dass Pflegekräfte kompetent diese Form der Schmerztherapie eigenverantwortlich, aber im Sinne der interdisziplinären Zusammenarbeit durchführen. Bisher ist bei uns der Schmerz in den pflegespezifischen Veröffentlichun-gen nur marginal vertreten. Dieses ist um so erstaunlicher, als gerade der Schmerz häufig als störendes Element der Pflegebeziehung erlebt wird. Schmerz ist ein pflegerisches Thema, das die pflegerische Praxis insbe-sondere der Onkologie täglich beeinflusst und dennoch erst in geringem Umfang reflektiert und theoretisch entwickelt ist. Medikamentöse Tumorschmerztherapie
10 Literaturverzeichnis
Verwendete Bücher:

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Berlin/Wiesbaden; Ullstein Mosby; 1997
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Berlin/Wiesbaden, Ullstein Mosby, 1996
Monika Thomm:
Schmerzpatienten in der Pflege.
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Peter Nydahl, Gabriele Bartoszek:
Basale Stimulation – Neue Wege in der Intensivpflege.
Berlin/Wiesbaden, Ullstein Mosby, 1999
Anita Margulies, Kathrin Fellinger, Andrea Gaisser, Thomas Kroner:
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Berlin, Springer-Verlag, 1997
Klaus-Dieter Neander:
Musik und Pflege.
München, Urban & Fischer, 1999
E. Aulbert, E. Klaschik, H. Pichlmaier:
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Monika Specht-Tomann, Doris Tropper:
Hilfreiche Gespräche und heilsame Berührungen im Pflegealltag.
Berlin, Springer-Verlag, 2000
Annegret Sonn:
Pflegethema: Wickel und Auflagen.
Stuttgart, Thieme-Verlag, 1998
Pflegeinterventionen in der Tumorschmerz-Therapie
Verwendete Zeitschriften:
Elke Heilmann-Wagner, Edeltraud Lüdeke: Krebskrankenpflege – berührend, bewegend, begleitend, belasten. In: Pflegezeitschrift, 50. Jahrgang, 9/1997 Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart Betty R. Fernell: Schmerz – Auswirkungen auf die Lebensqualität. In: Pflege aktuell, 2/2000, DBFK, Eschborn Laurel Archer Copp: Die ethische Verantwortung für die Schmerzbehandlung. In Pflege aktuell, 2/2000, DBFK, Eschborn Jürgen Osterbrink: Schmerz als pflegerischer Kompetenzbereich. In: Die Schwester/Der Pfleger, 4/2000 Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Kinderkrankenpflegeschule der Vestischen Kinderklinik Datteln: Möglichkeiten und Grenzen der Schmerztherapie. In: Die Schwester/ Der Pfleger, 5/1999 Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen Rita Bodenmüller-Kroll, Bettina Reich, Gerhard Müller-Schwefe: Schmerzmanagement bei Tumorschmerzen; ein Kompendium für Pflege-kräfte. Schmerztherapeutisches Kolloquium e.V.; Göppingen; 1997 Th. Buchholz, P. Nydahl, A. Schürenberg: Der Körper: eine unförmige Masse. In: Die Schwester/Der Pfleger, 7/1998 Bibliomed Medizinische Verlagsgesellschaft, Melsungen

Source: http://www.westpfalz-klinikum.eu/fileadmin/user_upload/Bilder-Downloads-Kliniken-Abt/Klinik-Anaesthesie-Schmerztherapie/Abt-Schmerz_Tumorschmerztherapie_120313.pdf

Powerpoint presentation

 Risk factors  Common types of depression Causes of Depression  Personality Characteristics  low self-esteem, pessimistic world view, low stress  Whether this represents a psychological predisposition or an early form of the illness is not clear.  Continues to be studied extensively  Current thinking explores problems in brain functioning

gardenerscompany.org.uk

The worshipful Company of Gardeners Spring 2016 - iSSue 36 SIR ROY STRONG INSPIRES AT SPRING COURT DINNER THE COMPANY WELCOMES A NEW APPRENTICETHE GLORY OF THE GARDENERS' BADGES SPRING COURT DINNER AT HOGWARTS Gardeners and their guests assembled for the Spring Court and Dinner at Vintners' Hall, the fine old façade in Upper Thames Street hemmed in by modern glass and concrete, trapped between river